: Walesa hat die Fäden nicht mehr in der Hand
■ Trotz „offiziellem“ Streik-Ende: noch ein harter Kern Streikender auf der Leninwerft / In Jastrzebie noch 1.000 Arbeiter im Ausstand / Kumpel in Stola Wola verweigern Wiederaufnahme der Arbeit / Streik im Hafen von Stettin geht weiter
Warschau (dpa/afp) - Der Vorsitzende der verbotenen Gewerkschaft Solidarität, Lech Walesa, bemühte sich gestern darum, die letzten Streiks in Polen zu beenden. Er traf am späten Vormittag in Jastrzebie ein, um dort das Streikkomitee im Bergwerk „Manifest Lipcowy“ zur Aufgabe ihrer Aktion zu bewegen. In Jastrzebie sollen sich noch 1.000 Arbeiter im Ausstand befinden. Walesa wurde von seinem Berater Tadeusz Mazowiecki und dem Pfarrer Henryk Jankowski begleitet. Vom Bergwerk „Manifest Lipcowy“ war am 16.Juli die neue Streikwelle ausgegangen, der sich Walesa und die Leninwerft in Danzig erst am 22.Juli angeschlossen hatten. Auch in Stettin gingen die Streiks im Hafen und in einem Autobusdepot weiter. Die Verhandlungen mit den jeweiligen Direktionen wurden bislang blockiert von der Frage einer Bezahlung für die Streiktage und der Forderung nach Garantien, daß keiner der Anführer des Streiks entlassen wird.
Wie Mitglieder des Streikkomitees im Hafen von Stettin telefonisch bestätigten, hat Walesa auch sie gebeten, ihren Ausstand zu beenden. Sie wollten jedoch erst noch ihre finanziellen Forderungen durchsetzen.
In Danzig sind gestern unterdessen 400 Arbeiter, die während des am Vortag beendeten zehntägigen Streiks entlassen worden waren, ohne jegliche Auflagen wieder eingestellt worden. In den Werften der Stadt und im Hafen wurde die Arbeit weitgehend wiederaufgenommen - mit Ausnahme der Lenin-Werft, wo sich noch ein harter Kern Streikwilliger befinden soll. Der Generaldirektor der Hafenbehörden, Wojciech Przewieda, sicherte nach vierstündigen Verhandlungen den Vertretern des Streikkomitees zu, daß die Arbeiter keine Konsequenzen zu fürchten hätten. An den Gesprächen nahm auch ein Vertreter des Bischofs von Danzig teil, der am Vortag betont hatte, die katholische Kirche Polens werde darüber wachen, daß die Arbeiter nach Beendigung ihres Ausstands keinen Repressionen ausgesetzt würden.
In Danzig wurde vermutet, daß eine Intervention des bischöflichen Sekretärs Bronislaw Dabrowski bei Innenminister Czeslaw Kiszczak maßgeblich dazu beigetragen habe, die ursprünglich harte Haltung des Werftdirektors zu revidieren. Die Werftenleitung hatte am 26.August - auf dem Höhepunkt des Ausstandes - die Produktion eingestellt, alle Streikenden entlassen und durchblicken lassen, diese hätten keinen Anspruch auf automatische Wiedereinstellung. Vor dem Eintreffen der bischöflichen Vertreter hatten die Arbeiter der bis dahin unnachgiebigen Betriebsleitung mit einer Sitzblockade gedroht. Die Belegschaft des Bergwerks „Manifest Lipcowy“ in Stalowa Wola war, anders als die Mehrheit der Arbeiter in Danzig, nicht bereit gewesen, die Arbeit wiederaufzunehmen, und hatte von Walesa verlangt, er solle sie persönlich über Einzelheiten seiner Gespräche mit dem Innenminister informieren. Weiter gestreikt wurde gestern morgen schließlich auch noch im Hafen von Stettin sowie in den öffentlichen Verkehrsbetrieben der Ostseestadt. Allerdings hätten sich Vertreter des überbetrieblichen Streikkomitees und der jeweiligen Betriebsleitungen wieder zu Verhandlungen an einen Tisch gesetzt, hieß es.
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