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Eine Genossin, die weiß, was sich gehört

Herta Däubler-Gmelin wurde auf dem SPD-Parteitag zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt / Öffentliche Kritik an der Partei ist ihre Sache nicht  ■ P O R T R Ä T

Aus Münster Ursel Sieber

Sie hat es geschafft, sogar gegen das Vorstandstrio, das die neue Stellvertreterin eigentlich gar nicht haben wollte. Strahlend steht Herta Däubler-Gmelin nun zwischen Oskar Lafontaine und Hans-Jochen Vogel, als ob sie schon immer ein Herz und eine Seele gewesen wären. Die neue Hymne der SPD singt sie ein bißchen übereifrig mit.

Herta Däubler-Gmelin ist eine ausgezeichnete Juristin; sehr kompetent und ungeheuer fleißig. Eine Politikerin mit Charisma ist sie jedoch nicht. Manche Genossen hätten auf diesem Posten gerne eine sozialdemokratische Rita Süssmuth als Zugpferd gesehen. Aber diese Rolle kann Herta Däubler -Gmelin nicht spielen. Sie war machtbewußt genug, um sich als dritte Stellvertreterin selbst ins Gespräch zu bringen; allerdings nur für den Fall, daß ein dritter Vize-Posten eingerichtet würde. Aber sie wollte die Mächtigen nicht zu sehr herausfordern; niemals wäre sie direkt gegen Oskar Lafontaine oder Johannes Rau angetreten. „Weil sich in der Spitze die Gesamtpartei wiedererkennen muß“, sagt sie und fügt hinzu: „Dafür ist Johannes Rau völlig unverzichtbar, und Oskar vertritt ja ein Teilspektrum dessen, was ich auch vertrete.“ Das leuchtet zwar nicht ganz ein, aber sie weiß eben zu gut, was sich trotz Quote für eine Frau gehört in dieser Partei. Herta Däubler-Gmelin ist eine Tochter aus gutem Hause. Ihr Vater war CDU-Oberbürgermeister in Stuttgart, 1965 ging sie zur SPD. Als Jurastudentin sympathisierte sie mit der bürgerrechtlich orientierten Linken und ging zum Republikanischen Club. Im SDS war sie nie, und, so setzt sie schnell hinzu, auch nicht im SHB. Man spürt das Bedürfnis, sich abzugrenzen. Aber sie zählt sich zu den 68ern, und als Juristin bezieht sie sich auf deren „republikanische, aufklärerische Tradition“. Willy Brandt hat sie mit der Perspektive „Mehr Demokratie wagen“ sehr fasziniert.

Seit 1972 sitzt sie im Bundestag, und gehörte in der Fraktion immer zur parlamentarischen Linken. Heute ist sie die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion. An den rechtspolitischen Gesetzesreformen war sie beteiligt. Doch als im Bundestag 1977 die Anti-Terror-Gesetze verabschiedet wurden, stimmten nur Hansen, Coppik, Lattmann und Thüsing dagegen. Sie war nicht dabei, obwohl sie auch nicht zu den Befürwortern gehörte. Im vergangenen Jahr bewertete sie diese Zeit so: „Ich glaube im übrigen nicht, daß diese Verletzungen so unveränderbar und nachhaltig waren, wie sie viele von uns damals voraussahen, als es um die Veränderung der Strafprozeßordnung und etwa des Kontaktsperregesetzes ging. Der Rechtsstaat wurde nicht abgeschafft, er geriet auch nicht ernsthaft aus den Fugen. Ich glaube auch nicht, daß die Entscheidungen jener Jahre als Wegbereiter des späteren konservativen innen- und rechtspolitischen Rollback angesehen werden können.“

Sie war hochschwanger, als sie Bundestagsabgeordnete wurde, und drei Jahre später bekam sie ihr zweites Kind. Sie hat es irgendwie geschafft, Beruf und Familie zu vereinbaren. „Man braucht eine unglaubliche Gesundheit dazu“, sagt sie. Und: „Ich hab Glück gehabt, weil ich eine schwäbische Großfamilie im Hintergrund hab.“ Ihr Mann hat wie sie in seinem Beruf Karriere gemacht; Wolfgang Däubler ist ein fortschrittlicher Arbeitsrechtler in Bremen. Herta Däubler-Gemlin weiß, daß sie auch bei ihren linken Genossen als „Rabenmutter“ angesehen war. Mehr sagt sie dazu nicht.

Es ist fast unmöglich, mit der neuen Stellvertreterin ein Gespräch über sozialdemokratische Politik zu führen, das über die üblichen Floskeln hinausgeht. Wenn sie Interviews gibt, spult sie eine Floskel nach der anderen herunter. Das wirkt abgedroschen und tut in den Ohren weh. Wenn überhaupt, sind die nachdenklicheren Zwischentöne nicht zum Veröffentlichen bestimmt. Man kann sich kaum vorstellen, daß sie in der Öffentlichkeit mit kritischen Worten vorprescht, solange das noch kein anderer gewagt hat. Die 45jährige Herta Däubler-Gmelin gehört eben zu der Frauengeneration, die sich in der SPD mühsam durchkämpfen muß. Sie ist auf Parteiräson getrimmt und versucht sie heute selber durchzusetzen. Aber anders wäre sie wohl kaum etwas geworden.

Um der Parteiräson willen, hat sie beim Thema §218 auch versucht, die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) auf Kurs zu bringen. Der CDU wollte sie keine Gelegenheit geben, auch die Sozialdemokraten als Kindsmörder zu beschimpfen. Also reiste sie zur letzten AsF-Konferenz, um den Frauen gemeinsam mit Hans-Jochen Vogel zu erklären, weshalb sie die ersatzlose Streichung des §218 nicht fordern dürfen. (Die Forderung nach Streichung wurde mit hauchdünner Mehrheit abgelehnt.) Im vergangenen Jahr gab sie eine Broschüre heraus, die ein einziges Loblied auf die bestehende 218-Regelung war, aber kein Wort zur Aushöhlung des 218 in den Bundesländern enthielt. Immerhin würde sie heute „die Broschüre anders gewichten“ und die Verschärfung in der Praxis darstellen.

Mit Kritik an der Partei kann sie schlecht umgehen. So fauchte sie auf dem Nürnberger Parteitag im Beiein von Kollegen eine Journalistin an, die im 'Vorwärts‘ zur 218 -Position der Bundestagsfraktion etwas schrieb, das ihr nicht gefiel. Sie achtet auch sehr darauf, daß alles seine Ordnung behält. Als auf dem Parteitag die Quoten-Debatte begann, zogen Frauen aus Münster, als Suffragetten verkleidet, in die Halle ein. Herta Däubler-Gmelin, die die Debatte moderieren sollte, versuchte im Tonfall einer Internatsgouvernante sogleich wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Was sie sich als Stellvertreterin vorgenommen hat? Sie will sich der Rechtspolitik widmen, und dabei an die Mehr -Demokratie-Parole von Willy Brandt anknüpfen. Und Frauenpolitik? „Ach so“, sagt die ehemalige Vorsitzende des Arbeitskreises zur Gleichstellung der Frau, „ich dachte, das versteht sich von selbst.“

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