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CDU lädt zur Methadon-Debatte

■ CDU-Sozialpolitikerinnen suchen in einem Hearing nach Argumenten für ein bremisches Methadon-Programm / Ehemaliger Bremer Polizeiarzt berichtete über seinen Düsseldorfer Modell-Versuch / Vertreter der Bremer Sozialbehörde bleiben skeptisch

Was können ein ehemaliger Bremer Polizeiarzt, CDU -Sozialpolitikerinnen und der „Verein für akzeptierende Drogenarbeit“ gemeinsam haben? Ganz einfach: Sie bemühen sich darum, gegen den starren Widerstand der Bremer Sozialbehörde ein Methadon-Programm für Drogenabhängige durchzusetzen.

Der Verein für akzeptierende Drogenarbeit hat das seit Jahren gefordert und ist früher nur bei den Grünen auf Zustimmung gestoßen. Inzwischen haben aber SozialpolitikerInnen der CDU, allen voran die Bundesgesundheits-Ministerin Süssmuth und der niedersächsische Sozialminister Schnipkoweit ihre ablehnende Haltung zu Methadon relativiert. Das regte die Bremer CDU an, sich in einem Hearing den Meinungsstreit kompetenter Leute aus der praktischen Dro

genarbeit vorführen zu lassen.

Der ehemalige Bremer Polizeiarzt Heiko Schneidler ist seit einigen Jahren Leiter des Gesundheitsamtes in Düsseldorf und an dem Methadon-Modell-Programm der nordrhein-westfälischen Landesregierung beteiligt. 15 Langzeit-Abhängige, die mehrere erfolglose Therapien hinter sich haben, sind in seiner Gruppe, hoffnungslose Fälle. Sie unterliegen medizinischer Kontrolle, nehmen an Gruppen-Gesprächen teil und bekommen die „Ersatzdroge“. Methadon macht zwar auch abhängig, wirkt aber weniger euphorisierend und 24 Stunden lang. Methadon ermöglicht also, so Schneidler, „tagesstrukturierende Programme“, die Abhängigen sind nicht permanent auf der Suche nach neuem Stoff (Heroin wirkt nur 5 Stunden lang), Methadon ermögliche es,

„mit den Patienten zu arbeiten.“ Drei der 15 hoffnungslosen Fälle in Düsseldorf gehen inzwischen einer Arbeit nach, einer geht aufs Abendgymnasium.

Peter Kudella hatte einleitend vorgetragen, der Kripo-Chef Möller führe 60% der Einbruchsdelikte auf den „Beschaffungs“

Druck Drogenabhängiger zurück, und, so die CDU-Politikerin Karin Stieringer, wenn Methadon die „Beschaffungsprostitution“ vermindern könnte, wäre das schon aufgrund der Aids-Problematik ein ausreichendes Argument.

Die Bremer Drogen-Praktiker

sind aber so strikt wie die bayerische CSU gegen Methadon. Wenn man schon Drogen staalich verteile, so der Drogenbeauftragte polemisch, dann sollte man den Abhängigen das geben, was sie wollen: Heroin. Alle Experimente hätten gezeigt, daß Methadon-Programme sich nicht auf be

sonders schwere „Fälle“ eingrenzen ließen. Wer in Amsterdam durch die Straßen gehe, sehe mit eigenen Augen, daß es trotz breiter Methadon-Vergabe noch Drogenprostitutierte gebe, berichtete Volker Tegeler. Auch die Vertreterin eines Eltern -Vereins sprach sich gegen eine „chemische Lösung psychosozialer Probleme“ aus: Suchtfreiheit müsse das Ziel bleiben. Leidensdruck und Leidensbewußtsein der Drogenabhängigen seien die Voraussetzung zur Verhaltensänderung.

Wer erwartet hatte, daß die Krankenkassen sich für Methadon -Programme einsetzen würden, weil sie horrende Therapie -Kosten sparen könnten, der wurde überrascht: Manfred Adrian, Abteilungsleiter bei der AOK, zog einen Brief der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus der Tasche, die sozialpolitische Methadon-Programme nicht als „Krankenbehandlung“ anerkennt. Begründung der Krankenkasse: Den Methadon-Befürwortern gehe es um „Komplikationen im gesellschaflichen Bereich“. Auffälliges Verhalten, Beschaffungskriminalität und Drogenprostitution zu mindern sei aber nicht Aufgabe der Krankenkassen, sondern des Staates.

Klaus Wolschner

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