Großrazzia in der Westbank

Die israelische Armee belagert und durchsucht die Stadt Kalkilya / Bisher über 150 Personen verhaftet / Israelische Siedler fordern immer noch Erlaubnis für Waffengebrauch  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

In einem militärischen Großeinsatz hat die israelische Armee am Dienstag und Mittwoch die in der besetzten Westbank gelegene palästinensische Stadt Kalkilya umzingelt, alle Straßen in weitem Umfeld gesperrt, Telefonleitungen gekappt und in der Stadt selbst mehrere Häuser gesprengt.

Mehr als 150 Personen wurden nach Angaben der Militärbehörden verhaftet. Gleichzeitig kündigte die Armeeführung an, daß die Belagerung und Durchsuchung der 25.000 Einwohner zählenden Stadt noch in den nächsten Tagen fortgesetzt werde.

Vor allem junge Leute, die aufgrund ihres Alters in der Jugendorganisation „Shabiba“ organisiert sein könnten, und Personen, die verdächtig sind, im Rahmen der „Volkskomitees“ der Intifada zu arbeiten, wurden verhaftet und an unbekannte Orte gebracht. Große Mengen „subversiver Literatur“ und „primitiver Waffen“ wie Haushaltsmesser, Sensen und Sicheln seien sichergestellt worden, erklärte ein Militärsprecher.

Der Gebrauch schweren Militärgeräts macht den Einsatz zu einer spektakulären Operation und steht deutlich im Widerspruch zur erklärten Absicht des Militärs, Jugendliche zu verhaften, die israelische Autos auf einer in der Nähe vorbeiführenden Straße mit Steinen beworfen hätten. Die Stadt ist von einem Kranz israelischer Siedlungen umgeben, deren Einwohner seit einiger Zeit lautstark die Erlaubnis der israelischen Regierung fordern, selbst den militärischen Schutz ihrer Siedlungen übernehmen zu dürfen. Dabei wollen sie auch Schußwaffen gegen demonstrierende Palästinenser einsetzen können.

Premierminister Shamir, der aus seiner persönlichen Sympathie für den Wunsch der rechtsextremen Siedler keinen Hehl gemacht hatte, konnte im beginnenden Wahlkampf diese Forderung gegenüber seinem Koalitionskabinett politisch nicht durchsetzen. Statt dessen demonstriert die Armee nunmehr Stärke und wird nach Aussagen ihrer Sprecher auch zukünftig solche Methoden der „Wiederoberung“ von Städten und Dörfern durchführen, die sich im Laufe der Intifada mehr und mehr aus der Kontrolle der Militärverwaltung gelöst haben. Die Siedler äußerten sich über den massiven Einsatz der Armee befriedigt, wollten zugleich aber noch mehr und „bessere Offensiven“ der Armee gegen die Intifada durchgeführt sehen.