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Scholz läßt alle Fragen offen

Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zur Flugschaukatastrophe in Ramstein ließ sogar die einfachsten Fragen offen / Ein Generalmajor dankte ab / Untersuchungsausschuß auf Initiative der SPD  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Das Ergebnis einer siebenstündigen Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zu den Vorgängen in Ramstein und Nörvenich sind rund 100 unbeantwortete Fragen der Abgeordneten und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Initiative der SPD. Zehn Tage nach dem Unglück in Ramstein mit bisher 59 Todesopfern konnten oder wollten Verteidigungsminister Scholz und seine Luftwaffenoffiziere den Abgeordneten nicht einmal die einfachsten Fragen beantworten, zum Beispiel, wann genau der Minister selbst von der Katastrophe unterrichtet wurde. Die Verantwortlichen legten dem Ausschuß nicht einmal ein Blatt Papier mit dem zeitlichen Ablauf der Ereignisse vor, geschweige denn die Genehmigungsbescheide für die Flugtage.

Während die Opposition die Informationspolitik der Hardthöhe als „siebenstündige Verarschung“ (die Grüne Gertrud Schilling) und „Tohuwabohu“ (SPD-Obmann Horn) bezeichnen, erzürnt die CDU/CSU, daß wegen des Fliegerballs in Nörvenich immer noch keine verantwortlichen Offiziere geschaßt wurden. Ausschußvorsitzender Alfred Biehle (CSU): „Die Luftwaffenführung muß sich sehr warm anziehen.“

Nach dem Bericht der Hardthöhe wurden die Verantwortlichen in Nörvenich am Unglückstag um 16.10 Uhr durch die Polizei als erste informiert. Bis zum Ende der Show in Nörvenich habe der Kommandeur des Fliegerhorsts, Oberst Hoppe, kein „konkretes Bild“ gehabt. Vor Beginn des Fliegerballs um 20 Uhr entschieden Oberst Hoppe und der Chef der III.Luftwaffendivision, Generalmajor Rimmek, dann in den Worten Biehles: „Es geht weiter.“ Biehle nannte das „militärische Führungsversagen“ von „ausgewachsenen Generälen“ erschütternd und forderte „schnelle Konsequenzen“. Wenig später zog als erster Generalmajor Rimmek eine Konsequenz und bat um seine Entlassung. Minister Scholz stimmte seinem Antrag umgehend zu.

Auf der Hardthöhe soll, so berichtete die Grüne Gertrud Schilling aus der Sitzung, nur eine überforderte Teilzeitkraft gesessen haben, als die Unglücksnachricht eintraf. Bei einem späteren Kommunikationsversuch von „Tower zu Tower“ zwischen Nörvenich und Ramstein habe sich in Ramstein „niemand gemeldet“. Daß anscheinend die Kommunikation zwischen den Militärs bereits in diesem Friedensfall zusammenbrach, beklagte der verteidigungspolitische Obmann der CDU, Wimmer, als einen „sehr aufklärungsbedürftigen Tatbestand“. Auf Antrag der Sozialdemokraten sollen die Verantwortung von Minister Scholz und seine Pflichtversäumnisse im Detail durch einen Untersuchungsausschuß geprüft werden. Nach den Bestimmungen des Grundgesetzes konstituiert sich der Verteidigungsausschuß selbst dafür als öffentliches Untersuchungsgremium. Grüne Abgeordnete zeigten sich gestern uneins über die Notwendigkeit dieses Gremiums, forderten aber weiter den Rücktritt von Scholz. Die CDU/CSU verlagerte die Verantwortung für die Genehmigung der Ramstein-Schau gestern dezent zurück in die Amtsperiode Wörners: Biehle wies darauf hin, daß die letztendliche Zustimmung für Ramstein durch das Luftwaffenamt am 8.April gegeben wurde, Minister Scholz aber erst am 18.Mai vereidigt wurde. Luftwaffeninspekteur Horst Jungkurth räumte ein, daß die Genehmigung für Ramstein wie üblich pauschal erteilt wurde: Ein detailliertes Flugprogramm lag nicht vor. Ungeklärt blieb, was die Kriterien für den von Scholz nun untersagten „Kunstflug“ sind. Da fordert auch die CDU/CSU statt „semantischer Übungen“ eine „klare Rechts- und Tatsachenlage“. Fest steht für die Konservativen, daß normale Tiefflüge mit dem Streitthema Flugschauen „nichts gemein“ haben. Aus Pietätsgründen wurden jetzt für das Heeresmanöver in Rheinland-Pfalz die Tiefflüge nur „räumlich und zeitlich befristet“ reduziert; nach dem 14.September wird wie gewohnt weitergedröhnt. Warum der Solo-Pilot der italienischen Todesstaffel anders als geplant flog, weiß man bisher auch nicht. Aber daß er kein Englisch konnte, das weiß man immerhin.

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