: Affentheater mit Bär
Sechswochenamt für toten Grizzly in Köln - wann befreit sich FC-Geißbock Hennes von seines Fesseln? ■ PRESS-SCHLAG
Exakt sechs Wochen ist es her - die taz berichtete - da ward im Zoo zu Köln der Grizzly Karl-Joseph bei einem wagemutigen Ausbruchversuch erschossen. Es war daselbst nicht der erste Todesfall dieser Art. Schon 1985 waren das Schimpansenpärchen Petermann und Susi, als sie aus Gefangenschaft sich davonzustehlen trachteten, Opfer tierpflegerischer Schießwütigkeit. Affe Petermann hatte damals die linke Faust in den Kölner Abendhimmel gereckt, als er hinterrrücks erschossen wurde. „Einer der wenigen wahren Anarchisten in Köln“, befand der „Kölner Volksblatt„ -Verleger Rainer Osnowski, und gab der Fußballmannschaft, dem er seitdem als Stürmer dient, den Namen „Petermann Stadtgarten“. Mit der Kraft des tierischen Revolutionärs schafften die Petermänner in diesem Jahr den Titel des deutschen Alternativfußballmeisters.
Karl-Joseph aber, der hingerichtete Grizzly, wurde sofort zum Ehrenvorsitzenden auf ewige Todeszeit ernannt. Am Samstag nun ehrten ihn die Anarcho-Kicker mit der Zelebration des Sechswochenamtes im Form eines geheiligten Kicks gegen „Im Prinzip Hoffnung“, einer weiteren Kölner Szeneelf.
In der rheinischen Ökumene läutete der Schiedspriester die Trillerpfeifenglocke und bewegte sich bewegt zum Anstoßaltar auf den Jahnwiesen, direkt vor dem Müngersdorfer Stadion. Ihm folgten die 22 andächtigen Matchdiener, zum Teil im Affengewande, Petermann gedenkend, und im Bärenfell schwitzend.
Dann aber beeilten sie sich mit dem Spiele, um die Jünger der Großen nebenan nicht auszusperren. Denn der 1.FC Köln hatte es abgelehnt, das Sechswochenamt im Paket mit seinem Bundesligahochamt gegen den HSV zu feiern, weil man sich ängstigte, so die FC-Geschäftsstelle, der Müngersdorfer Rasen werde wegen Tränenüberflutung nachher unbespielbar sein. „Denn siehe“, predigte das heilige Schiedsgericht in Anlehnung an Milanos Matthäus (24,8), „auch der Ärmste im Geißbockheim ist ein verängstigtes Schaf, welches blöckt in der Herde des Profifußballs.“ Und erklärte den Gläubigen: „Gedenket schon heute des FC-Maskottchens Hennes, des Geißbocks, wenn er einmal seinen animalischen Vorbildern nacheifern wird, und mit gen Himmel gestreckten Hörnern das Clubheim verwüsten und sodann den Weg in die Freiheit finden wird. Und jetzt nehmet den Ball, gehet hin, und kicket wieder alle damit.“
Nach der Wandlung, als die Matchdiener die Spielseiten tauschten, folgte die Kommunion der Fußballgläubigen in Form herrlich geweihter Tore, Steilflanken in Richtung des Herrn und Traumpässe flach wie Hostien, für jeden empfänglich, der vorher im Stillen Buße getan. 3:2 für die Petermann-Männer endete das Sechswochenamt. Viele Hundert zählte die Trauergemeinde am Rande der Weihestatt, und je näher das letzte Amen rückte, desto mehr Ungläubige waren auch dabei, die nach nebenan zum FC pilgerten. Dort, vor 45.000 leeren Plätzen in der Profikathedrale, verloren die Ketzer aus Köln gegen Hamburg mit 1:2. FC-Trainer Karl-Joseph Daum war im schwarzen Anzug gekommen, und die Kölner hätten, stellte Osnowski auf der Tribüne fest, „vor Trauer völlig gelähmt gespielt, nur Engels, der Mann mit dem himmlischen Namen, habe getreten, als seien die Hamburger allesamt Zoodirektoren, die es für Affe und Bär posthum zu bestrafen gelte.
Wie seelenlabend war dagegen des Grizzlys Abschiedspiel gewesen, als die gedenkenden Mitgefühlsmenschen bei jedem der fünf Treffer die Faust in den Kölner Mittagshimmel gestreckt hatten, um sich dadurch für kurze Zeit aller Fesseln zu entledigen und, auch ohne mit dem Leben zu zahlen, in eine kleine Freiheit hatten flüchten können ...
A.Blickhäuser/B.Müllender
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