: „In Berlin floß richtig Blut“
■ Werder-Manager Willi Lemke zum mittelmäßigen Saisonauftakt seiner Mannschaft / „Wir sind jetzt der gejagte Meister“ / „Fußball ist kein körperloses Spiel“
taz: Ist Werder Bremen noch eine Spitzenmannschaft?
Willi Lemke: Selbstverständlich.
Und warum wurde gegen Bayern dann das 2:0 noch verschenkt?
Weil sie nach dem 2:0 und durch die vergebene Chance von Norbert Meier zum 3:0 nicht mit genügender Aggressivität nach vorne gespielt haben. Sie haben sich mit dem fast sicheren Gefühl des Sieges von den Bayern zurückdrängen lassen.
Und die Bayern waren spielerisch besser!
Ja, das ist überhaupt keine Frage. Nach dem 2:2 waren beide Mannschaften im Prinzip mit dem Unentschieden zufrieden, dann haben sie sich nicht mehr total entblößt.
Was, meinst Du, wird in der Bevölkerung mehr erwartet: ein Unentschieden von Bayern in Bremen oder ein Unentschieden von Werder in München?
Die Leute erwarten, daß Bayern hier einen Punkt holt und gehen davon aus, daß wir in Bayern verlieren, weil die Bayern sich mit ihrem vielen Geld alles erlauben können, was auf dem europäischen Markt zu haben ist.
Warum spielt Werder in dieser Saison bisher so mittelmäßig?
Wir sind jetzt in einer völlig anderen Ausgangssituation. Wir sind im letzten Jahr der Außenseiter hier bitte Karikatur
gewesen, der ohne Völler und Petzey angetreten ist. Und in diesem Jahr sind wir der gejagte Meister. Jede Mannschaft will sich in unserem Spiel besonders anstrengen, damit sie sich gegen den Meister profilieren kann.
Nun will Werder ja eine Spitzenmannschaft bleiben. Warum habt Ihr Euch nicht verstärkt?
Wir haben erstmal alle Spieler bei uns halten können, das ist ja nicht selbstverständlich. Wir haben ja eine sehr starke Bank.
Aber man kann ja auch mit wenig Geld Leute einkaufen, die einen attraktiven Fußball spielen...
Wir haben mit Dieter Eilts einen sehr talentierten Nachwuchsmann und wir haben mit Skogheim einen sehr talentierten Ausländer gekauft.
Was war in Ost-Berlin los? War das Überheblichkeit?
Nein, das glaub‘ ich nicht. Aber
wir wollten nicht defensiv antreten. Wir wollten uns nicht mit einem Unentschieden zufriedengeben. Daraus ist geworden, daß die uns dreimal klassisch ausgekontert haben.
Viele Freunde aus der DDR waren wahnsinnig enttäuscht über dieses Werder-Spiel...
Ja, ich weiß. Aber ich bin sicher, daß wir Dynamo nicht bewußt unterschätzt haben. Aber seit dem Tag der Auslosung hat der DDR-Meister an nichts anderes mehr gedacht, als an das Spiel gegen Werder. Und bei uns war das ein Spiel von vielen, da haben wir uns drei, vier Tage drauf vorbereitet, aber nicht wie die DDR-Mannschaft. Den schlechten Start von Dynamo in der Oberliga führt sogar der Trainer darauf zurück, daß die Mannschaft in Gedanken immer nur bei Werder Bremen war.
Sollte man nicht eigentlich Spielern wie Augenthaler und Kutzop, die andere Spieler kaputttreten, „Berufsverbot“ erteilen?
Ich bin ganz sicher, daß weder Augenthaler noch Kutzop bewußt jemanden kaputttreten. Unter so schweren Bedingungen wie am Dienstag kannst Du nicht mit Samthandschuhen spielen. Fußball ist kein körperloses Spiel. In Berlin floß richtig Blut. Das war nicht unfair, sondern die Multiplikation der Zweikämpfe, in die Du reingehst.
Fragen: Hans-Helmut Euler
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