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GEORGISCHE BÜROKRATIE

■ Blaue Berge oder eine unwahrscheinliche Geschichte, Regisseur Eldar Schengelaja

Nicht der Himmel, sondern ein riesiges Ölgemälde droht dem Angestellten des großen Verlagshauses auf den Kopf zu fallen - eine lästige Sorge, die eine kleine, wenn auch wohldosierte Unruhe in die fast zeitlos freundliche Atmosphäre bedächtigen Schaffens hineinbringt; die Kollegen, die sich dem Schachspiel, der Nahrungsmittelsuche oder der französischen Konversation widmen, lassen sich davon kaum beeindrucken - ebenso vermag das täglich-abrupte Erscheinen des Direktors in seiner kurzzeitigen Betriebsamkeit bloß etwas Staub von den sich stapelnden Manuskripten zu blasen.

Mehr Unruhe erzeugt das Anliegen eines jungen Autors, sein neues Werk zur obligatorischen Prüfung annehmen und durchsehen zu lassen. Bei allem optimistischen Wohlwollen bekräftigt jedoch ein wiederholter Blick aus dem Fenster, daß sich außer den Jahreszeiten nichts bewegt. Dieselbe Erfahrung macht auch ein zugereister Besucher des Hauses, der im Laufe der Zeit seinem Vorhaben, den Direktor zu sprechen, zwar nicht näher kommt, dafür aber eine erschreckende Entdeckung macht: ein sich stetig ausbreitender Riß durchzieht die Decken aller Arbeitsräume. Nunmehr gänzlich an der Arbeit gehindert, bemüht sich die Belegschaft, den Ursachen des drohenden Unglücks auf die Spur zu kommen - als dies gelingt, ist es schon zu spät; der vollzogene Einsturz des Hauses zwingt zum Umzug der Kulturbürokraten in ein anderes Gebäude, in dessen Gängen sogleich die wohlbekannte Formel, die Frage nach den Befugnissen, ertönt.

Seine Zuständigkeit unter Beweis zu stellen, dies hat der renommierte georgische Regisseur Eldar Schengelaja nicht mehr nötig - seine an grotesken Situationen und Dialogen reichhaltige Komödie entfacht eine fast französisch anmutende Geschwindigkeit und Prägnanz der Komik. Die präsentierte sinnlose Absurdität der wohl nicht nur in Georgien anzutreffenden Kulturbürokratie bekommt so etwas Tröstliches: ihre Arbeitsweise ist sich hier nur selbst im Wege und gibt darüberhinaus den Stoff für einen witzigen und sehenswerten Film.

David Promies

Der Film „Blaue Berge oder eine unwahrscheinliche Geschichte“ läuft am Sonntag, 18.9. um 20 Uhr im Arsenal.

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