: Sozialhilfe nur gegen Patientendaten
Das Sozialamt der Stadt Fulda verlangt von SozialhilfeempfängerInnen die Offenlegung ihrer Krankendaten / Grüne alarmieren Datenschutzbeauftragten / Beschwerde beim Innen- und Sozialminister ■ Aus Frankfurt Heide Platen
In der mittelhessischen Bischofsstadt Fulda müssen SozialhilfeempfängerInnen ihre geschützten Krankendaten preisgeben, um Sozialhilfe zu bekommen. Sie werden gezwungen, zu unterschreiben, daß sie damit einverstanden sind, ihren Arzt von der Schweigepflicht gegenüber dem Amt zu entbinden. Wenn die SozialhilfeempfängerInnen sich weigern, erhalten sie kein Geld.
Die Grünen im Hessischen Landtag, die den Fall aufdeckten, reagierten gestern mit einer Presseerklärung, in der sie das Vorgehen des Fuldaer Sozialamtes „Amtsmißbrauch“ nannten. Der „behördlichen Willkür gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft“ werde Tür und Tor geöffnet, hieß es. Die Grünen informierten inzwischen den Datenschutzbeauftragten. Auch forderten sie den Innen- und den Sozialminister auf, diese „rechtswidrige Praxis sofort abzustellen“.
Die Grünen beziehen sich auf die Erfahrungen, die ein arbeitsloser Mann machte, der in Fulda Sozialhilfe beantragte. Er fand auf seinem Antragsformular in der letzten Zeile genau vor der Unterschrift die Passage: „Den behandelnden Arzt, Kliniken und ärztliche Gutachter entbinde ich hiermit gegenüber dem Sozialhilfeempfänger von der ärztlichen Schweigepflicht.“ Der Mann strich den Satz, der ihm unangemessen vorkam, und reichte den Antrag ein. Das Sozialamt verweigerte die Bearbeitung und forderte den Mann auf, zu unterschreiben. Er fühlte sich durch das Amt zwar genötigt, gab aber schließlich nach.
Erste Erkundigungen ergaben, daß das Sozialamt in Fulda diese Pauschalermächtigung generell verlangt. Sozialämter in anderen Städten, zum Beispiel in Frankfurt, Wiesbaden und Bad Hersfeld, teilten auf Anfrage mit, daß ihnen solche Praktiken bisher unbekannt sind. Es stellte sich allerdings heraus, daß auch der Landkreis Fulda eine eigene Spezialität zu bieten hat. Dort hat man es auf das Bankgeheimnis abgesehen. Von den Antragstellern und allen ihren Familienmitgliedern wird verlangt, dem Amt Einblick die die Bankkonten zu gewähren. Die Grünen fordern ihre Kreisverbände auf, solchen Fällen nachzugehen und „aufzuspüren, ob es auch in anderen Sozialämtern derartige Praktiken gibt“.
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