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Rotgrünes für Verdener Bauern

■ Im Landkreis Verden soll ein Projekt für die ländliche Wirtschaft der Region auf die Beine gestellt werden / Arbeitsplätze sichern und schaffen / Zusammenschluß statt Konkurrenz

Ideen aus dem Hessen zu Zeiten der rotgrünen Koalition will jetzt der Landkreis Verden aufgreifen. Vertreter des „Vereins für eigenständige Regionalentwicklung Hessen“ (VER) trafen sich in der letzten Woche mit Abgeordneten der grünen und sozialdemokratischen Kreistagsfraktionen Verdens und beratschlagten gemeinsam, wie den regionalen Wirtschaftskräften des ländlichen Raumes auf die Beine geholfen werden kann.

Die Hessen hatten eine Reihe überraschender Beispiele parat. Mit einem vom VER finanzierten Regionalprogramm konnten unter rotgrünen Verhältnissen zwischen 1984-87 ganze 140 ländliche Arbeitsplätze gesichert und 75 neu geschaffen werden - angesichts der Zentralisierungstendenzen im Agrarbereich erstaunliche Ergebnisse. Nicht immer größere Agrarfabriken, sondern umgekehrt Besinnung auf die kleinen regionalen Produktionseinheiten war dabei das Prinzip.

Beispiel Hackschnitzel-Anlage: Das hat nichts mit Fleisch zu tun, sondern mit Hecken-Schnitt. Laub und Zweige wurden in Hessen in einer Anlage verbrannt und die Wärme-Energie für private Haushalte genutzt. Das ist interessant auch für den Landekreis

Verden, der Niedersachsens drittgrößten Heckenbestand hat. Beispiel Holzschindeln: Eine hessische Firma stellte von den krebserregenden Eternit-auf die traditionellen Holzschindeln für Hausdächer um. Für Verden könnte eine vergleichbare althergebrachte Innovation die Weidenflechterei sein.

Beispiel Bio-Milch: Bauern, die ihre Kühe artgerecht halten und ernähren, müssen bislang in Verden ihre - hochwertigere

-Milch zusammen mit der Chemie-Milch vermarkten, weil es keine getrennte Molkerei-Produktion gibt. Nach dem hessischen Beispiel könnte vielleicht die Thedinghauser Molkerei gewonnen werden, Qualitätsprodukte wie Milch, Sahne und Quark aus Bio-Haltung getrennt abzupacken und Marktlücke - z. B. an Schulen und Kindergärten zu liefern: Verdener Schulkinder bekommen bislang zum Pausenfrühstück H -Milch oder gezuckerte Säfte.

Die Grünen im Kreistag möchten die SPD-KollegInnen dazu gewinnen, genau wie in Hessen ein Gutachten in Auftrag zu geben, das jetzige die regionale Wertschöpfung (wer lebt wovon?) erforscht und Vorschläge für gemeinsame Projekte ausarbeitet, die Produktivkräfte der Region

stärken und Abwanderung verhindern. Wichtiges Kriterium für förderungswürdige Projekte soll dabei die Stützung der Dorfgemeinschaften sein, damit nicht einzelne mit den Strukturmitteln groß herauskommen und ihre bäuerlichen Nachbarn kaputtkonkurrieren.

Die Saftfirma Voelckel, die Obst-und Gemüse-Säfte aus biologisch-dynanischem Anbau vertreibt, bezahlt zum Beispiel gute 35 Mark für einen Doppelzentner Äpfel - wenn das Obst ungespritzt ist und den Richtlinien entspricht. Mit den Streuobst-Wiesen einzelner Bauern ist die Mindest -Abgabemenge von 10 Tonnen Obst nicht zu erreichen, im Zusammenschluß mehrerer Bauern wäre das kein Problem. Solche Projekte auszudenken, anzufassen und auf die richtigen Schienen zu setzten, das müßte nach den Vorstellungen der Verdener Grünen Aufgaben eines Regionalprogramms nach hessischem Vorbild sein. Ein Vergleichbares Gutachten würde 80-90.000 Mark kosten und stand in den Kreistags -Vereinbarungen zwischen Grünen und SPD als grüner Wunsch. Nach dem Besuch der hessischen Gäste wird sich nun vielleicht die SPD erwärmen. S.P

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