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Rebmann: Boock „gnadenunwürdig“

■ Briefe des Bundesanwalts Rebmann an Öffentlichkeit lanciert / Neue Vorwürfe gegen Boock / Rebmann torpediert Begnadigung / Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel vermutet gezielte Indiskretion

Berlin (ap/taz) - Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat Generalbundesanwalt Kurt Rebmann für kommenden Freitag zum Rapport bestellt. Weizsäcker will mit Rebmann über die beiden Anträge zur Begnadigung der Ex-RAFler Peter Jürgen Boock und Angelika Speitel sprechen. Das teilte der Sprecher des Bundespräsidialamtes, Friedbert Pflüger am Dienstag in Bonn mit.

Thema der Unterredung dürfte aber vor allem Inhalt und Veröffentlichung zweier Schreiben Rebmanns vom 7. und 15.September an das Bundesjustizministerium sein, die in der 'Welt‘ vom Dienstag publiziert worden waren. Darin hatte die Bundesanwaltschaft Boock nicht nur als „gnadenunwürdig“ bezeichnet, sondern auch von einem Besuch Weizsäckers bei dem Ex-RAFler abgeraten. Außerdem sind in den Schreiben angeblich neue und angeblich erst nach Verfahren und rechtskräftigem Urteil gegen Boock bekanntgewordene Erkenntnisse über dessen Tatbeteiligung an der Entführung und Ermordung Schleyers vor elf Jahren aufgeführt. Die Veröffentlichung der Briefe steht vermutlich im Zusammenhang mit Rebmanns Ankündigung aus der letzten Woche, als er geäußert hatte, er werde eine Begnadigung Boocks „nicht hinnehmen“.

Der Ex-Verteidiger Boocks, Heinrich Hannover, erklärte zu den neuen Beschuldigungen, dies sei ein Versuch, das Gnadengesuch zu unterlaufen. Aus den veröffentlichten Briefen geht auch hervor, daß Weizsäcker die Möglichkeit zumindest ins Auge gefaßt hatte, Boock bereits am Freitag in Hamburg zu besuchen. Eine Entscheidung über den Zeitpunkt einer Begegnung habe es aber, so betont das Präsidialamt, nie gegeben.

Der Bundespräsident und sein Amt erfuhren von den Briefen erst durch die Presse und sind sowohl vom Charakter als auch von der Veröffentlichung der Schreiben „irritiert und befremdet“, wie es von informierter Seite dazu hieß.

Das Bundesjustizministerium bedauerte inzwischen, daß ein amtsinterner Briefwechsel „pflichtwidrig“ an die Öffentlichkeit gebracht worden sei. Es leitete nach Angaben seines Sprechers unverzüglich die notwendigen Untersuchungen zur Aufklärung „dieses außerordentlichen Vertrauensbruches“ ein. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans -Jochen Vogel, hatte zuvor die Veröffentlichung „einen Vorgang von äußerster Peinlichkeit“ genannt. Die Beteiligten setzten sich dem Verdacht aus, daß die Veröffentlichung der Grund dafür gewesen sei, die Briefe überhaupt geschrieben zu haben.

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