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ZÜNDPLÄTZCHENSCHÜSSE

■ F.C. Delius gegen die Zeitung für Deutschland

Schade, daß F.C. Delius weder in Bielefeld noch in Berlin lebt, sondern im Archiv der FAZ. Wer also Dienstag abend mit grimmiger Vorfreude in die Autorenbuchhandlung gekommen sein sollte, um - dem Hinweis der alternativkonservativen taz vom gleichen Tag folgend - den Schnellkurs „Konservativ durch 1.000 taz-Zitate“ zu absolvieren, mußte enttäuscht feststellen, doch nur in eine Nachhilfestunde für Frankfurter Allgemeinplätzchenknabbern geraten zu sein. Das kann zwar auch sehr vergnüglich sein, ist aber nicht zu vergleichen mit dem Genuß, den Stilblütenstrauß von taz -Zitaten zu betrachten. Und außerdem nicht so nahrhaft, wegen des FAZ-notorischen Tiefsinns. Weil F.C. Delius nach der laxen Aussage der 'Neuen Westfälischen‘ immer noch ein „Achtundsechziger“ von echtem Schrot und Korn ist, muß er den stärksten Feind für seine satirischen Zielübungen suchen, und der sitzt nun einmal, fest und fromm, in Frankfurt am Main, wo Delius ihn mit Zitaten aus dem Jahrgang 1987 seines Organs von Macht und Geist satirisch niederzustrecken versucht. Das heißt: vielleicht auch nur zum Lachen zu bringen.

Zusammen mit seinem Computer hat F.C. Delius das Jahr 1987 am Frühstückstisch verbracht und die FAZ gelesen und sortiert. Das Ergebnis ist das Hand- und Wörterbuch Frankfurter Allgemeinplätze, aus dem es in der Autorenbuchhandlung Kostproben gab. Zum Verdruß des Publikums, das vermutlich ein ganz besonders intensives Verhältnis zum Feuilleton der Zeitung für Deutschland pflegt, stammen die Zitate ausschließlich aus den Kommentarspalten der Politik- und Wirtschaftsseite. Einzige Ausnahme, nach Geständnis des Frühstückslesers und zur besonderen Freude des hier die ureigensten Interessen wiedererkennenden Publikums, der Feuilleton-Satz: „Das Kondom ist in aller Munde“. Aufgeklärt-kritisches Gelächter brandet aus dem sonst wohlgefälligen Dauerschmunzeln auf und man kann nur ahnen, wie jetzt in Frankfurt die Rotationsmaschinen innehalten, weil über die konservativen Redaktionsbleichgesichter ein roter Farbton der Marke tantenhafte Scham zieht und sie ihre Selbstauflösung beschließt: Nun ist ihr ja der Mund gestopft.

Auch die Politik- und Wirtschaftskommentare der FAZ geben dem satirischen Sammler vielfältige Gelegenheit, seinen Beruf auszuüben. Die Rubrik „Mensch und Menschliches“ hält mit dem Satz „Das Herz der Börse bleibt der Mensch“ einen wahren Herzschrittmacher für kritische Menschen bereit, die sich schnellen Griffes ihrer Humanität versichern und nickend des nächsten Zündplätzchenknalls aus der Munitionsfabrik für Satiriker harren. Der Wald, der „deutsche Wald“, bedarf freilich keinerlei modischer Zuwendung. Er ist Bestandteil des deutschen Bewußtseins. Wir „beseelen ihn seit Jahrhunderten.“ Wenn aus Wald nach intensivem Abholzen unter anderem auch die FAZ als Gegenstand der Satire entsteht, dann wirkt jedenfalls an der Beseelung des deutschen Waldes auch diese Satire mit, die noch einmal die FAZ abholzt, um ihre Zitate zu Zwerchfellkitzlern des deutschen Bewußtseins zu verharmlosen.

Vielleicht findet der Computer von F.C. Delius sein Sortiment von Merksätzen, Vokabeln und Redensarten aus der FAZ ja witzig und hat die Frühstückslektüre des Jahres 1987 mit befreiendem Gelächter verbracht. Elektronengehirne sind vermutlich dankbare Zeitgenossen, die das Lernziel des kritischen Konservatismus schon nach einigen hingeworfenen Zitaten überplanmäßig erreichen, um sich dann automatisch abzuschalten. Das Widernis von Nichtelektronengehirnen ist, durch zitierendes Witzeln nicht schon ihr Programm erfüllt zu haben und sich abschalten zu können. Wenn der Mitmensch Computer schon längst seinen Geist aufgegeben hat, dichtet in der FAZ Herr Fromme immer weiter an der Poesie der Staatsgewalt. Wer sie aufs Zündplätzchenformat reduziert, um damit auf einen Papiertiger zu schießen, den er selbst erst zusammenbastelte, muß sich nicht wundern, wenn der ihn frißt. Schneller als in 30 Tagen - „Konservativ in 30 Tagen“ ist der Titel von F.C. Delius‘ Übungsbuch - läßt sich der Weg zum Zentralorgan des Konservativen bewältigen: gleich die FAZ-Satiriker wider Willen im Original lesen. Da weiß man wenigstens, wie wenig das noch komisch ist.

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