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„Soviel Blut fließt und gerinnt an mir“

■ EhemaligerIWF-Mitarbeiter spricht von Entsetzen und Schuldgefühlen / „Den Geschäften eines Vampirs nachgegangen“

Heute veröffentlicht die taz zum drittenmal Auszüge aus dem Brief des ehemaligen IWF- und Weltbank-Mitarbeiters Davison L.Budhoo an den Direktor des IWF, Michel Camdessus. Budhoo drückt hier seine Betroffenheit über seine frühere Arbeit aus und verurteilt sich selbst: „Ein Gericht würde mich ohne mildernde Umstände schuldig sprechen.“

d.Red.

Ich habe heute, nach über zwölf Jahren, meine Arbeit im Stab des Internationalen Währungsfonds niedergelegt, nach über tausend Tagen als offizieller field-worker, der mit Ihrer Medizin und Ihrer Trickkiste bei den Regierungen und Völkern in Lateinamerika, der Karibik und Afrika auf die Balz gegangen ist. Der Rücktritt bedeutet für mich eine unschätzbare Befreiung, denn ich hoffe, er ist mein erster entscheidender Schritt dorthin, wo ich das Blut von in meinen Augen Millionen armer und hungernder Menschen von meinen Händen waschen kann. So viel Blut, Sie wissen, Mr.Camdessus, es fließt in Strömen. Es trocknet, es gerinnt an mir; manchmal spüre ich, daß es nicht genug Seife auf der Welt gibt, um mich von den Dingen zu reinigen, die ich in Ihrem und Ihrer Vorgänger Namen und unter ihrem offiziellen Wappen getan habe.

Die Anklagen, die ich erhebe, treffen die Seele und das Gewissen des Menschen. Sie wissen, wenn alle Fakten klar sind, wird es zwei Fragen geben, die Sie und ich und andere wie wir beantworten müssen. Die erste lautet: Wird sich die Welt damit zufrieden geben, nur unsere Institution als einen der heimtückischsten Feinde der Menschheit zu brandmarken? Werden unsere Mitmenschen uns auf diese Weise verdammen und es dabei belassen? Oder werden die Erben jener, die wir in unserem eigentümlichen Holocaust verstümmelt haben, nach einem neuen Nürnberg rufen?

Ich scheue mich nicht, Ihnen zu sagen, daß diese Frage mich verfolgt, daß sie mich besonders während der letzten fünf Jahre verfolgt hat. Sie verfolgt mich, weil ich weiß, daß ein Gericht mich schuldig sprechen würde, sehr schuldig, ohne mildernde Umstände.

Zweifellos sind Sie wütend, daß ich Fragen stelle, die das Gespenst persönlicher Schuld derer heraufbeschwören, die in unserer Institution arbeiten; daß ich für Sie vielleicht sinnlose, aber dramatische und ins Auge stechende Verallgemeinerungen über unsere Arbeit und das Urteil der Geschichte darüber mache. Vielleicht möchten Sie mir sagen: „Sie sind verrückt, wenn sie unterstellen, daß der Fonds oder jemand in seinem Zusammenhang solch üble Verbrechen begangen hat.“ Gut, vielleicht bin ich verrückt, Mr.Camdessus, wenn ich mit offenen Augen unsere Geschäfte betrachte und entsetzt, nicht befriedigt bin, wenn ich uns fröhlich den Geschäften eines Vampirs nachgehen sehe.

Voll Schuld und der Erkenntnis meiner eigenen Wertlosigkeit als menschliches Wesen würde ich am liebsten losgehen, um in den Menschen auf der Straße im Norden und Süden, Osten und Westen, in der Ersten und Zweiten, Dritten und Vierten und allen andern Welten Interesse daran zu wecken, was diesem einzigartigen Planeten, ihrer einzigen Heimat, angetan wird. Und dies geschieht, weil es unserer Organisation ermöglicht wurde, sich in bestimmter Weise in die internationale Gesellschaft des späten zwanzigsten Jahrhunderts hinein zu entwickeln und die supranationale Autorität zu werden, die das alltägliche Leben von Hunderten Millionen Menschen auf der ganzen Welt kontrolliert. Könnte ich nur einen Funken an Interesse der Ersten Welt für die Dritte Welt entfachen, Mr. Camdessus! Könnte ich doch den anderen zeigen, daß die Armen und Bedürftigen nicht der entbehrliche Müllhaufen sind, für den sie unsere Institution hält!

So selbstzerstörerisch und unmoralisch es offensichtlich ist, was wir in Trinidad/Tobago getan haben und noch tun, es wird in Dutzenden von Ländern rund um die Welt wiederholt, besonders in Lateinamerika, der Karibik und Afrika. Manchmal gehen wir mit größerer, manchmal mit weniger Zurückhaltung vor, doch der Prozeß und das Resultat sind immer gleich: die eintönige und pompöse Deklamation doktrinärer „Ratschläge“ des Fonds, die ohne Kompromißbereitschaft erteilt werden, oft in verachtender Weise und in völliger Rücksichtslosigkeit gegenüber lokalen Bedingungen, Sorgen und Empfindsamkeiten. Dies kann nur dazu führen, daß die weltweiten Spannungen verschärft werden, das schon heute riesige Heer der Armen und Notleidenden des Südens noch vergrößert wird und überall die menschliche Seele und die Fähigkeit, Normen der Gerechtigkeit und der Fairneß zu hegen und zu beschützen, verkümmert.

Bisher sind wir davongekommen als Vampire, die sich hinter der Maske überlegener Technokratie und tieferer Weisheit verbergen, die sich für „fiskalisches Gleichgewicht“ und „strukturelle Anpassung“ in der Dritten Welt abrackern. Aber die Maske wird zunehmend ramponiert, und neutrale Beobachter und Opfer unserer Politik der verbrannten Erde beginnen uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. Doch unsere Antwort auf Kritik ist größere Selbstgerechtigkeit und Entrüstung über die Anmaßung, daß jemand es wagen kann, unsere Arbeit und unsere Methoden in Frage zu stellen.

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