Kniefall vor dem Conducator

Zwei rumänische Flüchtlinge, die dieser Tage in Budapest eintrafen, brachten eine „frohe“ Botschaft mit. Die Dorfbewohner von Agrij, Treznea, Rastoltu-Desert und Bonza zusammen 2.490 Bauersleute - werden nicht umgesiedelt. Sie dürfen weiterhin in ihren Dörfern leben, entschied der große Conducator (Führer) Nicolea Ceaucescu. Seinen ursprünglichen Plan, mit Bulldozern die vier alten Siedlungen abzureißen, gab der rote Monarch auf. Wie es dazu kam, zeigt ein offener Brief, den die Bauern Mitte August ihrem Staats- und Parteioberhaupt voller Demut und Unterwürfigkeit zusandten und der am 31.August von der Bukarester Tageszeitung 'Neuer Weg‘ veröffentlicht wurde. Die Bittschrift beginnt wie zu feudalen Zeiten: „Sehr geehrter und lieber Genosse Nicolae Ceausescu, wir, die Bewohner der Gemeinden, die wir zu einer Bürgerversammlung zusammengekommnen sind, nehmen auch diese Gelegenheit wahr, um unseren Gefühlen grenzenloser Liebe, Wertschätzung und herzlicher Erkenntlichkeit für Sie Ausdruck zu verleihen, den hervorragenden Führer unserer Partei, eine prominente Persönlichkeit der zeitgenössischen Welt, der wir unmittelbar alles verdanken.“ In diesem Stil fahren die Bauern noch eine Weile fort, um erst dann zum Kern zu kommen: „Wir, die Bewohner sind uns des ruhmreichen Weges bewußt, den der 9.Parteitag vor 23 Jahren (als Ceausescu die Macht übernahm, d.Red.) erschlossen hat. In unseren Herzen lebt aber auch die schmerzhafte Erinnerung an die tragischen Ereignisse, die sich am 9.September 1940 im Gebiete Salaj, in der Ortschaft Trznea zugetragen hatten, als die faschistischen Hortytruppen '86 friedliche Bewohner des Dorfes niedermetzelten.“ Mit anderen Worten bitten die Bauern darum, die Dörfer zu erhalten, weil dort Hortytruppen, so nannten sich ungarische Faschisten im Zweiten Weltkrieg, ein Blutbad anrichteten, dessen man für immer gedenken solle. Als hätten sie von ihrem Landesherren Unmögliches erbeten, beenden die Bauern ihren Brief in der Zeitung 'Neuer Weg‘ mit diesen Worten: „Wir bitten Sie achtungsvoll, uns zu gestatten, Ihnen aufrichtigen Herzens unsere tiefempfundenen und herzlichsten Wünsche zu übermitteln zum Ruhme der rumänischen Kommunistischen Partei, des sozialistischen Rumäniens, in dessen leuchtende zeitgenössische Geschichte Ihr Name mit goldenen Lettern eingegangen ist, wie es dem überragendsten ihrer Helden gebührt.“

Roland Hofwiler