: Steuern für biologischen Holocaust
■ „Kongreß über Umweltzerstörung und Weltbank“ fordert „Umweltverträglichkeitsprüfungen“ für Großprojekte
„Ich komme aus Amazonien. Mein Beruf ist Kautschuksammler. Das heißt, ich habe keine Zukunft, wegen der Großprojekte im brasilianischen Urwald.“ Nüchtern machte Jaime da Silva Araujo sein Anliegen auf dem Kongreß über Umweltzerstörung und Weltbank deutlich: „Es gibt zwei Formen, den tropischen Regenwald zu zerstören; entweder er wird verbrannt, um dann große Viehfarmen anzulegen, oder er wird Überschwemmt und es entstehen riesige Staudämme.“
In beiden Fällen sind die Auswirkungen für Mensch, Umwelt und Klima verheerend. In Amazonien, dem größten Regenwald der Erde, fallen täglich mehrere hundert Quadratkilometer dem Feuer zum Opfer. Nach den Bränden bringt der Urwaldboden noch höchstens drei Ernten, bevor er völlig ausgelaugt und unbrauchbar wird.
Neben dem Kautschuksammler sitzen ein Vertreter der landlosen Bauern und ein Sprecher der UNI, der größten Indioorganisation Brasiliens, am Rednertisch. Selbstbewußt werfen sie sich ins Zeug. „Wir sind zwar ungebildet, aber wir wissen genau, daß die Verantwortung bei der Weltbank und den brasilianischen Großgrundbesitzern liegt“, sagt Bauer Leite.
Eine Lösung der Umweltzerstörung in Amazonien sei nur im gemeinsamen Vorgehen möglich - die betroffenen Bewohner Amazoniens müßten die Unterstützung von Umweltschützern der ganzen Welt suchen. Indio-Sprecher C. Xavante: „Kongresse und Diskussionen wie diese sind wichtig, anschließend müssen Aktionen folgen.“
Beim dreitägigen Öko-Kongreß in der Hochschule der Künste, der von fünf Umweltorganisationen aus der BRD, 35 aus GroßBritannien und USA sowie hundert Organisationen aus der Dritten Welt organisiert wird, berichten die Brasilianer über ihre Alternativen für Amazonien: ökologische Landwirtschaft, Wiederaufforstung kleiner Urwaldparzellen und Abgrenzung eines Indianerterritoriums.
Ein Vertreter der brasilianischen Umweltorganisation AGAPAN, Jose Lutzenberger, zählt die größten Bedrohungen Amazoniens auf: Staudämme, Straßenbau und das Bergbauvorhaben Carajas. Im Rahmen des Carajas-Projektes werden ganze Berge von der staatlichen brasilianischen Bergbau-Gesellschaft abgeräumt, um Eisenvorkommen zu erschließen. Das Erz soll preisgünstig mit Holzkohle aus dem Regenwald zum Glühen gebracht werden. Für den Amazonaswald könnte dieses Projekt das Ende bedeuten, weil die Gesellschaft gar nicht daran denkt wiederaufzuforsten. Finanziell ist das Mammutprojekt, zu dem auch eine 900 Kilometer lange Eisenbahnlinie gehört, nur mit Krediten von EG und Weltbank möglich.
„Ihr bezahlt die Steuern, mit denen dieser biologische Holocaust finanziert wird“, hielt Lutzenberger seinem Publikum vor.
Als Lösungsansatz stellte Lutzenberger eine Resolution vor, die auf den mäßigenden Einfluß von unabhängigen Organisationen und von Regierungen auf die Weltbank baut. Die Weltbank sollte Brasilien solange alle Kredite sperren, bis das Eisenerzprojekt gestoppt sei. Ebenso sollten Brasiliens gigantische Energiepläne von der Weltbank verhindert werden. Des weiteren möge die Weltbank künftig verstärkt Kleinbauern unterstützen und - bitteschön strenge Umweltauflagen bei ihren Projekten durchsetzen. Zwar hegt auch Lutzenberger Zweifel, daß die Weltbank reformierbar ist - schließlich habe sie eine „teuflische innere Logik“ - er sehe aber keine andere Möglichkeit, als mit ihr im Gespräch zu bleiben.
Das Zauberwort „Umweltverträglichkeitsprüfung“ geistert seit seinem Beginn durch den Öko-Kongreß. Heute soll schließlich ein weltweites Kommunikations- und Kontrollnetz von Nicht-Regierungsorganisationen aller Länder vorgestellt werden.
Clara Coq
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