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Die Adorno-Affäre

■ Warum das Adorno-Symposion erst in der Frankfurter Alten Oper, dann in der Deutschen Bank tagen sollte und schließlich doch in der Musikhochschule stattfand

Auf den Plakaten war als Veranstaltungsort noch der Hindemith-Saal der Alten Oper angegeben, auf dem Programm stand schon „Saal der Deutschen Bank, Junghofstraße“. Der Grund für den kurzfristigen Ortswechsel ist allerdings keineswegs in der Sensibilität der Veranstalter zu suchen. Adorno im Hindemith-Saal, ein Symposion über einen, der ins Exil mußte, in einem Saal, dessen Namensgeber von Adorno aufs schärfste kritisiert wurde: Daran hatte sich keiner gestört. Der Hindemith-Saal war schlicht zu klein. Über die Deutsche Bank erschrak einer der eingeladenen Referenten, der Komponist Mathias Spahlinger, allerdings noch mehr, vor allem, weil der Kongreß im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Stadt Frankfurt aus Anlaß des 50.Jahrestages der Reichspogromnacht angekündigt war. Und an letzterer hatte die Deutsche Bank direkt verdient. Er verfaßte eine fünfseitige Absage, die die Organisatoren einen Tag vor Beginn des Symposions erreichte. In letzter Minute muß der Beschluß gefallen sein, in die Aula der Musikhochschule umzuziehen. Vermutlich wollte man auf jeden Fall vermeiden, daß statt über Adorno, die Kunst und die Musik über die Deutsche Bank diskutiert wird.

Die Rechnung der Veranstalter ging auf. Das garantierten alleine die zahlreich referierenden Musikwissenschaftler, denen die Berührung mit so etwas wie Politik von jeher unangenehm ist. Dem Moderator Siegfried Schibli, Herausgeber der 'Neuen Zeitschrift für Musik‘, waren seine Berührungsängste förmlich anzusehen.

Nachdem die Teilnehmer auf der Suche nach dem Tagungsort also durch halb Frankfurt geirrt waren, erfuhren sie über die Gründe für die Schnitzeljagd zunächst so gut wie nichts. Erst als Hans-Klaus Jungheinrich seinem Referat eine Erklärung voranstellte, die er vorbereitet hatte für den Fall, daß er in der Deutschen Bank hätte sprechen müssen, kam die Absage Spahlingers zur Sprache. Spahlingers Name war auch im Programm schon nicht mehr ausgedruckt. Jungheinrich schien es allerdings weniger um die Aufklärung des Publikums zu gehen. Da er zu lang sei, wollte er den Text des Komponisten nicht verlesen, er verzichtete aber auch auf eine Zusammenfassung der Beweggründe Spahlingers. Ihm lag mehr daran, sich selbst seiner Frankfurter Dickfelligkeit zu bezichtigen. Offensichtlich plagte ihn sein schlechtes linkes Gewissen, und daß er nicht selbst rechtzeitig auf die Idee gekommen war, abzusagen.

Auch Mathias Spahlinger, der am nächsten Tag doch noch auf dem Podium erschien, konnte das freiwillig auferlegte Schweigen der Tagungsteilnehmer über die „Affäre“ letztlich nicht brechen. Zwar wies er auf den unsäglichen Titel der Pogrom-nacht-Veranstaltungsreihe „Zerstörung Verlust Erinnerung“ hin und wie ihn das an Bitburg erinnere, ansonsten machte ihm aber das Dilemma zu schaffen, daß er nun nach der unerwarteten, nochmaligen Verlegung auf sein Referat nicht genügend vorbereitet war. Für seine Absage -Begründung erhoffte er sich genügend Publizität, da er sie an die Frankfurter Zeitungen geschickt hatte. Keine davon druckte sie. Wir liefern den Text an dieser Stelle nach, aus Platzgründen leider leicht gekürzt.

chp

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