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Arbeit geht vor Vergnügen

Beim Boxen erhofft sich Südkorea den großen Erfolg, doch das geringe Interesse der Zuschauer ist symptomatisch / Die Olympiagastgeber wenden sich ab  ■  Aus Seoul Herr Thömmes

Auf dem Foto sieht Park Si Hun ganz normal aus. Wenn er dann allerdings im Ring steht, ist das, was von seinem Kopfschutz freigelassen wird, völlig entstellt. Mit verzerrten Gesichtszügen starrt er auf Abdalla Ramadan aus dem Sudan, traktiert ihn mit beiden Fäusten. Als diesem nach einem Schlag auf die Niere Luft und Lust genommen wird und der Ringrichter den Kampf beendet, feiert das Publikum seinen Leichtmittelgewichtler kurz, dann leert sich die Halle zügig.

Es mag im ersten Moment überraschen, daß von den 7.600 Plätzen höchstens die Hälfte besetzt war, denn in keiner Sportart blühten die südkoreanischen Medaillenhoffnungen so wie beim Boxen. Tag für Tag wurden vor den Spielen in allen Zeitungen die verschiedenen „Challenger“ vorgestellt. Doch das Turnier lief nicht wie erwartet. Fünf von zwölf Fäustlingen schieden bereits frühzeitig aus, darunter auch im Fliegengewicht Oh Kwang Soo, dessen Gold fest verbucht war.

Schon macht sich Frust breit, was sich an den Zuschauerzahlen ablesen läßt, und der Druck auf die verbleibenden Kämpfer steigert sich noch. Nicht nur im Gesicht von Park sei das zu sehen, meint Werner Schneider, Schriftsteller und vor vier Jahren noch als Ringrichter tätig. Er hat hier in Seoul alle Boxkämpfe gesehen, und er sah die Koreaner durch die Bank „schlecht und total verkrampft alles niederreißen“.

Zu technisch sauberem Boxstil führt so eine Haltung nicht; dem Publikum ist das sichtlich egal. Es kommt, um seine Boxer gewinnen zu sehen, die in jahrelanger Kasernierung auf diesen Höhepunkt vorbereitet wurden. Daß nach Park sein nächster Gegner im Ring zu sehen war, interessiert schon nicht mehr. Diese Einstellung läßt sich auch anderswo beobachten. Beim Basketball litten 12.000 bei jedem Wurf des koreanischen Teams gegen die Zentralafrikanische Republik, der anschließende Knüller UdSSR-Jugoslawien hielt gerade noch ein Drittel davon. Selbst beim 100-Meter-Lauf am Samstag blieben im Olympiastadion einige Sitze frei, und als Jackie Joyner-Kersee ihren Weltrekord im Siebenkampf vollendete, tat sie dies vor einer Trainingskulisse.

Viele der Sportstätten präsentieren sich so. Ein Grund ist sicherlich, daß ein großer Teil der olympischen Sportarten hier unbekannt ist. Auch die erwarteten Touristen füllen Stadien und Hallen nicht, gerade 140.000 sollen gekommen sein, und 4,5 Millionen Eintrittskarten stehen zum Verkauf. Und Arbeit geht auch während der Spiele im Schwellenland Korea vor Vergnügen. Bestenfalls werden einige Klatschgruppen von großen Konzernen freigestellt, um mit ihrem Beifall ausländische Delegationen zu Geschäften zu ermuntern. Es sind die 10.000 Sportler und Sportlerinnen und der ebenso große Reporterpool, die ab und an für Stimmung sorgen.

Die olympischen Spiele '88 waren von der hiesigen Regierung zur nationalen Aufgabe erklärt worden, sieben Jahre wurde geplant und gebaut für „Pal Pal“, diese magische Zahl. Unübersehbar ist der Stolz, Gastgeber für die ganze Welt zu sein. Und jetzt, da das Ereignis seinen Lauf nimmt, wenden sich die meisten anderen Dingen zu: Wir haben alles für das große Fest vorbereitet, nun seht mal zu, daß ihr euch gut amüsiert.

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