: Gold und Oliv
Das Menschenmaterial der Bundeswehr versagt in Seoul ■ FLIPS & FLOPS
Halbzeit in Seoul. 36 Athleten und Athletinnen aus der Bundesrepublik bekamen bislang die Schlinge um den Hals gelegt, an der das begehrte Buntmetall baumelt. Nicht gerade ein Boom in Gold, Silber und Bronze, und doch lassen sich die Spezialitäten westdeutscher Sportkunst herauslesen: Kampfsportarten wie Fechten und Ringen, Military-Reiten als alte Offiziersdomäne und Pferde-Dressur als Inbegriff von Disziplin. So sind wir halt.
Am Samstag schlug sich der Herr Arnd Schmitt aus Bonn mit seinem Degen zum Gold. Er ist ein ganz besonderer Vertreter der Jugend der Welt - macht er doch, obwohl eigentlich Student der Zahnmedizin, in Seoul seine Bundeswehr -Reserveübung in der Zivilkaserne Olympiadorf.
Dies ist eine neue Spezialität der Hardthöhe. Weil sich unsere Militärs mit sportlichem Lorbeer, mehr denn je, in die Herzen und Hirne der BundesbürgerInnen einschmeicheln wollen, können ehemalige Soldaten vor und während der Olympiade eine bis zu dreimonatige Sonderwehrübung machen die Bundeswehr übernimmt Gehalt und Sozialabgaben, zusätzlich gibts noch Wehrsold, und die Sportler (Innen noch nicht) sollen sich unbelastet von ihren zivilen Berufen zum Metall kämpfen, zum Ruhme des Vaterlandes, natürlich ohne Stahlhelm und Gewehr jemals zu berühren. 18 solcher Reservisten-Kameraden sind in Südkorea dabei, das geht vom Gefreiten bis hin zum Segler und Stabsarzt Wolfgang Hunger.
Sport und Militär ist ein altes Thema. Neu aber ist, daß sich von 1982, dem Jahr der Wende, bis heute die Ausgaben des Verteidigungsministeriums zur Stählung von Athletenkörpern mehr als versechsfacht haben. Erstmals in diesem Jahr liegt die Zahl mit 134 Millionen Mark höher als beim eigentlich für Sport zuständigen Ministerium des Innern. Staatsamateure aus dem Hinterhalt.
Scholzens Leute feruen sich. Schon in Los Angeles hätten die Oliven im Olympiakader doppelt so viele Medaillen eingesackt wie die zivilen Kameraden, ließen die Militärs anläßlich der Knall-Erfolge für ihre Kombattantin Sperber aus der Standortverwaltung Landsberg glücklich verlauten. Und in Calgary seien gar 80 Prozent aller bundesdeutschen Treppchen -Eroberer aus dem Hause der Krieger gekommen.
Doch ach, in Seoul, da will es nicht recht klappen. Obwohl fast jeder vierte Sportler Bundeswehrangehöriger ist, hat sich von 57 Soldaten, darunter 20 Offizieren, außer dem Unteroffizier der Reserve Arnd Schmitt nur der Schwimmer Hochstein was anhängen lassen. Zwei von 36, das sind keine sechs Prozent. Die Bundeswehr versagt - beim Gang in die Halbzeitkabine also ein freudig Labsal für die Seelen aller Pazifisten (und Innen).
Bernd Müllender
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