: Al Sharpton - der rührige Reverend
Der rundliche 33jährige Prediger ohne Gemeinde mit der ondulierten Haartolle nach dem Vorbild seines Freundes James Brown, mit dem zusammen er 1981 den sinnigen Titel „God Has Smiled on Me“ aufgenommen hat, begann als „Gottes kleiner Wunderprediger“ im Brooklyner Ghetto Bedford-Stuyvesant. Heute ist der „kleine Wunderprediger“ Al Sharpton durch Schlitzohrigkeit, Opportunismus und Charisma zum großen Geschäftemacher geworden.
„Er ist ein Clown, der die Medien benützt, um sich aufs Podest des Militanten zu stellen“, klagt die Wochenzeitung 'Village Voice‘, die mit der Tageszeitung 'Newsday‘ die schlierende Karriere des „Polyester-Predigers“ recherchiert hat.
Parteipolitisch machte er sich zunächst als Rad in der Parteimaschine des berüchtigten korrupten Bosses der Brooklyn-Demokraten, Meade Esposito, nützlich. 1986 unterstützte er dann den republikanischen Kongreßabgeordneten Alfonso d'Amato. Der ging mit seiner Verehrung für den U-Bahnschützen Bernard Goetz auf Stimmenfang. Goetz hatte auf vier schwarze Jugendliche geschossen, die ihn berauben wollten, zwei Jahre zuvor hatte Sharpton noch Anti-Goetz-Demonstationen inszeniert. Na und?
Doch Parteipolitik ist Nebensache für den wandlungsfähigen Aufsteiger, der sich im Geschäftsfilz des Ghettos festsetzt. Sharpton ist zugleich FBI-Informant, der schwarze Politikerkollegen bespitzelt, und Vertrauter von vier lokalen Mafiabossen. Seine reichsten Fischzüge landet der James-Brown-Freund in der Musikindustrie. Er deutet Boykott und Protest gegen schwarze Künstler an, falls von ihren Einnahmen nicht auch der „community“ etwas zufließe. Ergebnis: Sharpton wird als lokaler Manager oder „Verbindungsmann“ entlohnt. Bei der „Victory Tour“ von Michael Jackson sahnte er nach Recherchen der 'Village Voice‘ besonders effektiv ab: Den Tourneegewinn insgesamt für Sharpton beziffert die 'Voice‘ auf über 500.000 Dollar.
Als „Lügen der 'majority press'“ tut Sharpton dies ab. Doch der Reverend beherrscht sein Spiel mit den weißen, großen Medien phantastisch. Mal als „Gehirnwäscher“ verdammt, dienen ihm die TV-Stationen bei anderer Gelegenheit zur Selbstdarstellung.
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