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Turboathleten

■ Ben Johnson: Prototyp einer Sportlergeneration

Schon lange pfiffen es die Spatzen von den Dächern: Die fleischliche Expansion eines Ben Johnson, einer Florence Griffith oder einer Jackie Joyner ist ebensowenig naturgegeben oder auf eifriges Trainieren zurückzuführen wie die phänomenale Ausdauer der Radfahrer oder die brachialen Kraftakte der Gewichtheber. Die Stimme von Florence Griffith sei im letzten Winter um einige Töne tiefer geworden, konstatierte der Trainer von Carl Lewis unlängst süffisant, ein Phänomen, das ein DDR-Schwimmtrainer schon vor Jahren mit der Bemerkung abtat: „Die Mädchen sollen schwimmen, nicht singen.“

Eine Dimension des Leistungssports, die gern ignoriert wird. Die Sieger werden brav gefeiert, bewundert, gehätschelt und bezahlt, solange, bis einer dumm genug ist, sich erwischen zu lassen. Es birgt eine gewisse Tragik, daß es diesmal ausgerechnet der schwarze Underdog mit den traurigen Augen, der nicht gerade als Ausbund von Intelligenz betrachtete Ben Johnson war, der der Welt mal wieder drastisch eine alte Weisheit vor Augen führte: Spitzensport ist nicht unwesentlich davon bestimmt, welches Mittel wie lange in welchen Mengen eingenommen wird.

Konsequenteste Forderung nach dem Fall Johnson ist die völlige Freigabe von Anabolika, das Setzen auf eine nichtvorhandene Eigenverantwortlichkeit der von Managern und Sponsoren gegängelten Athleten. Folge wäre die progressive Bevölkerung der Stadien mit Muskelmonstren aus der Retorte, Sportmuppets mit Turboantrieb, unaufhaltsam, rasend schnell und frühvollendet - run fast, die young.

Matti Lieske

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