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"Man muß sich wehren"

■ Der tschechisch-israelische Diplomaten und Roman-Autor Avigdor Dagan war kurz nach dem Einmarsch der Deutschen in Prag emigriert und lebt heute in Jerusalem

taz: Was hätten die Opfer der Münchener Abkommens anders machen können oder sollen, damals?

Avigdor Dagan: Ich glaube, sie hätten sich wehren müssen. Für das Rückrat des Volkes hätte es viel bedeutet. Sie hätten, wenn nötig, in den Krieg gehen müssen.

Wozu war das nötig?

Dagan: Ein Krieg hätte sicherlich viel, viel tschechisches Blut gekostet. Ich glaube aber, daß es zu keinem Krieg gekommen wäre. Hitler war nicht vorbereitet auf einen Krieg, die tschechische Armee war stark und gut ausgerüstet. Die Befestigungen im Sudentenland waren gut, es wäre nicht so leicht gewesen, sie zu durchbrechen. Ich halte es zudem nicht für möglich, daß die Franzosen sich dann hätten heraushalten können, und wenn die Franzosen etwas gemacht hätten, wäre England in den Krieg hineingekommen. Ich glaube sogar, daß die Entwicklung in Deutschland anders gewesen wäre...

Aus „München“ gibt es also nicht nur anti-faschistische, sondern auch anti-pazifistische Lehren?

Dagan: Ich sehe für uns in Israel drei Lehren: Wenn es zu einer internationalen Konferenz kommen sollte, dann müssen wir Sicherheiten haben, daß ein Abkommen in gar nichts dem Münchener ähnlich sein wird. Die zweite Lehre: Ein Volk, auch wenn es klein ist, darf sich nicht auf andere verlassen. Drittens: Man muß sich wehren. Daß ist nicht anti -pazifistisch, aber anti-gandhistisch, anti-Tolstoi.

Spielt in der aktuellen Diskussion in Israel „München“ eine Rolle?

Dagan: Das Abkommen von 1938 wird erwähnt. Aber wir sind uns bewußt, daß es da hunderte von Differenzen gibt. Die Lage ist ganz anders. Die Gefahr besteht nicht, daß man uns etwas diktieren könnte oder wollte.

Int.: K.W.

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