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München 1938 - 50 Jahre danach

■ Angestelltenkammer und Deutsch-Tschecheslowakische Gesellschaft luden zu einem internationalen Seminar / Interwiev mit einer slowakischen Journalistin und einem 1938 aus der CSR emigrierten Juden...

Im September/Oktober 1938, vor jetzt 50 Jahren, sah Europa zu, wie die Truppen des nationalsozialistischen Deutschland in die Tschecheslowakei einmarschierten. Im „Münchener Abkommen“ hatten England und Frankreich den Annektionsplänen Hitlers zugestimmt - in der illusionären Hoffnung, damit könnte ein Krieg vermieden werden.

Nach 50 Jahren trafen sich in dieser Woche zum ersten Male deutsche und tschecheslowakische Historiker zu einem Seminar, um über dieses Abkommen zu debattieren. (Am kommenden Samstag (1.10. 9-13 Uhr) sollen die Seminar -Ergebnisse im Festsaal des Bremer Rathauses vorgestellt und mit Parteien-Vertretern debattiert werden). Das Seminar diente der gegenseitigen Versicherung über das dunkelste Kapitel der gegenseitigen Geschichte. Es diente gleichzeitig den deutsch-tschecheslowakischen Kontakten, denn im November soll zwischen Bremen und Bratislava eine Städtepartnerschaft besiegelt werden.

Wir haben mit zwei Teilnehmern des Seminars gesprochen:

Emilia Herzogova, Generalsekretärin des slowakischen Journalistenverbandes und Avigdor Dagan, einem nach Israel emigierten tschechischen Juden.

taz: Glauben Sie, daß heute dieses Datum 1938 noch zwischen den Deutschen und dem tschesloswakischen Volk steht?

Emilia Herzogova: Dieses Abkommen ist annulliert. Wir müssen über die Geschichte reden, aber wichtiger ist unsere Orientierung am Heute und an der Zukunft. Das bedeutet gute Nachbarschaft, gute Beziehungen und auch gute Geschäften, Austausch von Forschung...

Aber auch so ein kleines Land wie die Tschecheslowakei muß doch auch heute noch Angst haben, erdrückt zu werden von großen Nachbarn.

Herzogova: Ich setze auf die menschliche Klugheit. Auch an der Spitze von Supermächten sind Menschen, ich glaube, sie müssen sehen, daß sie kein Spiel gegen die kleinen spielen können. Ich glaube nicht, daß sich so etwas wiederholt. Nazismus und Faschismus waren sehr schrecklich,

in jeder tschechischen und slowakischen Familie fehlt jemand.

Die Tscheslowakei hat, nicht ganz freiwillig, aus der Geschichte mit den deutschen Nazis

die Konsequenz gezogen, sich eng an eine Supermacht anzulehnen und zu binden, die dann vielleicht schützt.

Herzogova: Schauen sie, wie

war das mit dem Schutz damals, als Frankreich und Englang die Supermächte waren? Das war einfach Verrat. In den 40 Jahren seit dem Kriege kennen wir kei

nen vergleichbaren Fall. Die Verbindung mit anderen sozialistischen Ländern ist freiwillig.

Gäbe es für die Tschecheslowakei eine Alternative zu dieser Bindung, ohne wieder in eine Lage zu kommen, wo sie Angst haben muß, von Supermächten überrollt zu werden?

Herzogova: Wir brauchen keine Angst zu haben, weder vor den USA noch vor der Sowjetunion.

Kann ein kleines Land frei sein?

Herzogova: Ja, es kann, aber es muß mit jemand stärkeren in Verbindung sein. Das ist wie bei jedem Ehepaar.

Hängt für Sie die Geschichte des Prager Frühling und des Jahres 1968 nicht auch zusammen mit dem Problem der Freiheit und Unabhängigkeit der kleinen Nationen?

Herzogova: Ich finde nicht. Das war nur vom Wetter her gesehen ein Frühling. Es war eine sehr komplizierte Situation in unserer Republik, ich war Studentin damals. Ich finde nicht, daß das Demokratie war, das war Chaos. Für die Demokratie brauchen Sie zunächst Ordnung.

K.W.

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