: Ünfälle in US-Plutoniumfabrik verschwiegen
30 Jahre lang gab es Zwischenfälle in Atomfabrik des Konzerns Du Pont / 1970 knapp am GAU vorbei / Anlage ohne Kontrolle / Unfälle waren Energieministerium unbekannt / Bericht von 1985 erreichte Behörde nie / Anhörung vor Kongreß offenbart Skandal ■ Aus Washington Stefan Schaaf
In einer der beiden wichtigsten Produktionsstätten für Plutonium in den USA, in der „Savannah River Plant“ im US -Bundesstaat Georgia, seit dreißig Jahren gibt es zahlreiche, zum Teil schwere Unfälle. Diese Zwischenfälle waren dem US-Energieministerium (DOE), das die Plutoniumproduktion überwacht, bis zum August dieses Jahres nicht bekannt. Die Öffentlichkeit erfuhr von ihnen erst am Freitag durch eine Kongreßuntersuchung am Freitag.
Dem US-Energieministerium untersteht die Produktion nuklearen Bombenmaterials in den USA und damit die beiden zur Plutoniumproduktion verwendeten Reaktoranlagen in Hanford/Washington sowie die Savannah River Plant mit ihren fünf Atomreaktoren, die von dem multinationalen Konzern Du Pont betrieben werden. Anders als die zivile Atomenergie -Industrie unterliegen diese beiden Anlagen nicht den strikten Auflagen der Nuklearen Kontrollbehörde (NRC).
„Was wir hier vor uns haben, ist das Eingeständnis, daß die Anlage seit mehr als dreißig Jahren außer Kontrolle gewesen ist“, sagte der Kongreßabgeordnete Mike Synar während der Anh7rung am Freitag. Seinem Ausschuß lag ein Bericht aus dem Jahr 1985 vor, in dem der Physiker G. C. Ridgeway detailliert die Unfallgeschichte der Anlage seit 1957 beschreibt.
Unklar ist, warum dieser für du Pont bestimmte Bericht nie in die Hände der Zuständigen im US-Energieministerium gelangt ist. Der schwerwiegendste dieser mehr als dreißig Unfälle ereignete sich 1960, als Techniker versuchten, den Reaktor nach einer Selbstabschaltung wieder zu starten, indem sie die Kontrollstäbe aus dem Reaktorkern herauszogen und damit fast eine unkontrollierte Reaktion in Gang setzten. Bei einem anderen Zwischenfall im Dezember 1970 schmolz ein Teil des Kernbrennstoffs. Dies geschah, nachdem Techniker den Reaktor starten wollten, obwohl der Kühlwasserstand zu niedrig war und der Reaktorkern sich zu stark erhitzte, so daß eine automatische Abschaltung stattfand.
Anstatt nach dem Grund der Abschaltung zu forschen, versuchten die Betreiber noch drei weitere Starts. Physiker, die von der 'New York Times‘ nach den Unfällen befragt wurden, hielten sie für einige der schwerwiegendsten, die jemals in US-Atomkraftwerken verzeichnet wurden.
Sowohl Hanford als auch Savannah River sind nach der Katastrophe in dem sowjetischen Atomkraftwerk von Tschernobyl auf ihre Betriebssicherheit überprüft worden. Die Anlage in Hanford ist inzwischen stillgelegt; Savannah River plant ist in ihrer Leistung reduziert worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen