: Massendemonstration für Strauß
Zehntausende von Bayern drängeln sich vor dem Sarg / Politiker übertreffen sich mit Lobreden auf den Toten / Gauweiler salutiert vor der Leiche / Südafrikas Rassistenchef Botha will an Trauerfeier teilnehmen / Bayerische Grüne sagen daraufhin Teilnahme ab ■ Aus München Wolfgang Gast
Mit einer Fülle von salbungsvollen Reden setzten sich gestern in Bayern die Trauerfeierlichkeiten nach dem Tod des Ministerpräsidenten Strauß fort. Bei einer Kabinettssitzung im Bayerischen Landtag und einem Treffen der CSU-Fraktion würdigten die Redner unisono die „großen politischen Leistungen“ des Verstorbenen. Nachdem der Leichnam des Ministerpräsidenten in der Nacht zum Mittwoch nach München überführt worden war, wurde er gestern im Prinz-Carl-Palais erneut aufgebahrt.
Als das Palais den Münchner Bürgern gestern mittag zum Trauerdefilee freigegeben wurde, hatten sich die führenden Politiker im Freistaat schon von ihrem Dienstherrn verabschiedet. Allen voran waren die Mitglieder der Staatsregierung auf der eigens abgesperrten Straße vorgefahren, um anschließend am aufgestellten Sarg vorbeizuziehen. Sechs Polizisten mit Stahlhelmen hielten am Sarg die Ehrenwache. Innenstaatssekretär Gauweiler verabschiedete sich von seinem Ziehvater mit einem militärischen Gruß. Als einziger salutierte er.
Auf der folgenden Trauerfeier im Bayerischen Landtag zeichneten der Landtagspräsident Franz Heubl und Senatspräsident Hans Weiß ein Bild des Verstorbenen, das diesem zu Lebzeiten die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Superlative wurden gequält, um die Taten des CSU -Vorsitzenden zu preisen. „Eine ungeheure Lebensleistung“ (Heubl) habe er mir der „ihm eigenen Eigenwilligkeit und Originalität“ vollbracht. Ein Schöpfer der Sozialen Marktwirtschaft wäre Strauß gewesen und „bis an die äußersten Grenzen des Steh- und Durchsetzungsvermögens“ sei er gegangen. Kurz: „Ein Mann von solch seltenen Begabungen war dazu bestimmt, eine führende Rolle in der Politik zu spielen.“
Der Landtagspräsident würdigte ausdrücklich auch die Verdienste des einstigen Kanzlerkandidaten beim Aufbau der Bundeswehr und der Eingliederung der Bundesrepublik in die Nato. Daß Franz-Josef Strauß außerhalb der weißblauen Grenzen häufig einfach „der Bayer“ genannt wurde, erklärte Senatspräsident Weiß, „ist für einen Bayern nichts Bedeutsames“. Es sei immer „Ausdruck des Respekts“ gewesen. Straußens vehementes Eintreten für die Atomwirtschaft, den Rhein-Main-Donau-Kanal und den Ausbau des Flughafens München -Riem - allesamt umstrittene Großprojekte - hatte am frühen Vormittag schon der Vize-Präsident, Max Streibl, auf einer Kabinettssitzung abgefeiert.
Bis 22 Uhr soll heute das Prinz-Carl-Palais den Münchnern zugänglich bleiben. Am gestrigen Nachmittag hatten Tausende angestanden, um einen letzten Blick auf die sterblichen Überreste zu werfen. Am Freitag wird dann der Sarg im Anschluß an ein Pontifikalamt in der Frauenkirche auf einer Lafette in einem riesigen Trauermarsch bis zur Siegessäule gezogen. Entlang der Wegstrecke sind bereits gestern die Fahnenmasten für die umfangreiche Trauerbeflaggung angebracht worden. Die Fortsetzung Seite 2
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Beerdigung soll am Samstag im kleinsten Familienkreis in Rott am Inn stattfinden. Obwohl der Termin offiziell noch nicht feststeht, zweifelten CSU- und SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag kaum noch daran, daß der nächste Ministerpräsident am 19.Oktober im Maximilianeum gewählt wird. Daß die Wahl auf Strauß-Stellvertreter und Finanzminister Max Streibl (56) fallen wird, gilt fast allen als gewiß.
Der südafrikanische Rassistenchef Pieter Botha will am Freitag zu den Trauerfeierlichkeiten für Strauß nach München kommen. Dies teilte das Außenministerium am Mittwoch in Johannesburg mit. Außenminister Roelof Botha wird den Präsidenten begleiten. Die bayerischen Grünen sagten daraufhin ihre Teilnahme an dem Staatsakt am Freitag ab. Angekündigt sind auch SED-Politbüromitglied Günter Mittag sowie der stellvertretende Außenamtschef Kurt Nier. Wie der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amts in Bonn, Reinhard Bettzuege, am Mittwoch mitteilte, wird der sowjetische Vize-Regierungschef Iwan Silajew, der am Donnerstag in Bonn mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher Gespräche führt, ebenfalls nach München reisen.
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