: Abwehr gegen „Jugend-Bonbon“
■ Betriebsräte werben ungenügend für die Wahlen zur Jugend-und Auszubildenden-Vertretung / Junge Leute haben weder Mut noch Zeit zur Kandidatur
Ein bißchen auf dem Schlauch stehen Bremens GewerkschafterInnen im Moment, nachdem die Bundesregierung im Sommer die Rechte der Auszubildenden unter 25 gestärkt hat. Denn in etlichen Betrieben sind die jungen Leute knapp für die Posten in den erweiterten Jugend-und Auszubildendenvertretungen. Und bisweilen fehlt es auch an Begeisterung bei den altgedienten Betriebsräten, ohne die nichts läuft bei der Betriebsjugend.
Eigentlich sollten die Neuregelungen für JungarbeitnehmerInnen das Bonbon sein, mit der CDU/CSU/FDP die Gewerkschaften breitschlagen wollten, einige Kröten in einem neuen Betriebsverfassungsgesetz zu schlucken. So sollten vor allem leitende Angestellte und Kleinstgewerkschaften mehr Einfluß zugeschanzt bekommen. Während die Koalition damit allerdings noch nicht zurande gekommen ist, trat das Bonbon für die jungen Leute im Sommer in Kraft. Auszubildende sind jetzt bis 25 jung genug für eine eigene Vertretung, früher lag die Altersgrenze bei 18. Der Wermutstropfen der Neuregelung: Der Betriebsrat (BR) muß die Wahl organisieren. Wo es keinen BR gibt, gibt es auch keine Jugend- und Azubi-Vertretung.
Und da liegen schon die ersten Hunde begraben. 60 Prozent der Betriebe, die nach Betriebsverfassungsgesetz einen BR haben könnten, sind ohne. Zum Beispiel, weil in kleinen und mittleren Betrieben die Chefin nur eine Tür weiter sitzt. Und selbst, wenn es einen Betriebsrat gibt, halten sich die KollegInnen mittleren und höheren Alters bei den Wah
len für die Jungen merklich zurück. „Denn da kommen neue Aktivitäten auf den Betriebsrat zu“, weiß Udo Strauß von der DGB-Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) wenn jetzt auch gestandene 24jährige die Interessen von Jugendlichen und Auszubildenen auf den Tisch bringen. Manche Betriebsräte, so Hartmut Frensel von der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) seien auf Abwehr gebürstet. „Das machen wir doch seit Jahren schon mit“, sei ihre Selbsteinschätzung, wenn es um die Interessen der Jüngeren gehe. Es sei ein „ganzes Stück Arbeit“ (Udo Strauß), Betriebsräte von der neuen Qualität der Jugend-und Azubi -Vertretung zu überzeugen. Immerhin ist es inzwischen höchste Zeit, daß die Betriebsräte die Wahlvorstände einrichten und die Werbetrommel rühren. Am 30. November müssen die Wahlen abgeschlossen sein.
Auch das Wahl-Engagement der jungen ArbeitnehmerInnen sieht Udo Strauß positiv: „Jugendliche fühlen sich immer angesprochen, wenn es um ihre Probleme geht.“ Von 45 Betrieben im Bereich der HBV, die laut Gesetz in Bremen eine solche Vertretung wählen könnten, seien auf einer Vorbereitungssitzung mehr als 20 vertreten gewesen. Und das, wo zuletzt nur noch in fünf Betrieben die Jugendvertretung funktioniert hätte.
Hartmut Frensel ist weniger optimistisch. „Wir haben erhebliche Schwierigkeiten, daß Auszubildende sich aufstellen lassen“, sagt er. Denn viele Jugendliche betrachteten ihren Ausbildungsplatz wie sechs Richtige im
Lotto und seien außerdem auf gute Noten scharf, so daß sie weder die Zeit noch den Mut aufbrächten, sich für ihre Interessen stark zu machen. Außerdem säßen vielen jungen Leuten auch die eigenen Eltern im Nacken, die den Betriebsfrieden nicht durch ihre Kinder unterminiert sehen
wollten.
Die Ängste sind allerdings unbegründet: KandidatInnen und Angehörige des neuen Gremiums sind sicher vor Kündigung und müssen nach Ende der Ausbildung übernommen werden - im Gegensatz zu ihren KollegInnen ohne Mandat.
Gaby Mayr
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