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Gänsekielpressung

■ Anschreiben des Autors V. an die Redaktion

Verehrteste Frau Redaktion!

Sie sehen es am Briefkopf schon:

Ein Schreiber mit „Zwei-Seelen-Brust“

(Die eine ist der andern Lust:

Während der eine auf der Bühne

Verbricht die Kunst der hohen Mime,

Hockt Victor Hugbald dumpf zu Haus

und presset Gänsekiele aus)

Erflehet Ihre hohe Gunst

Und legt anbei des Victors Kunst.

Die möge ihnen köstlich schmecken,

Auf daß Sie in den Druck sie stecken.

(Denn, ich gesteh's mit Wangenröten:

Ein Obulus wär‘ uns vonnöten;

Dieweil der Hugbald voller Zagen

Anhebt, die Federn anzunagen;

Und auch der Mime, zart und schmächtig,

Vernimmt des Magen Murren prächtig.)

Sofern Sie aber - was ja möglich

Befinden, Victors Werk sei kläglich

Und unwert, daß im Druck man's mehre,

Erweisen Sie uns diese Ehre:

Beglücken Sie uns mit Kritik

Und schicken uns den Kram zurück.

Des Falles bliebe dann die Frage,

Die untertänigst ich nun wage,

Schamhaft geflüstert, gleichwohl offen:

Welch‘ Lohn hätt‘ einer wohl zu hoffen,

Der - ob des Honorares - satt

Sich lesen könnt‘ in Ihrem Blatt?

Gleichwohl!

Noch ist das Schicksal offen!

Noch dürfen Victors Zeilen hoffen ...

Und so empfehl‘ ich sein Geschicke

Ihrem mütterlichen Blicke;

Mögen Sie nun gütlichst walten.

Es verbleibt devotHugbalden.

Des Vorworts Reim hat so hohe Qualität

daß ihr Hugbaldens Haupttext doch nur schaden tät

zu diesem Zweck

läßt die Redaktion ihn weg.

Kommen wir nach diesem Prosamord

ohne Umschweif zu des Autors Schlußwort:

Ein Nachwort sei mir noch vergönnt:

Des Autors Herz voll Sorgen brennt,

Daß Sie befinden, dies hier sei

„Schon gar nicht schlecht. Doch, einerlei:

Es ist zu lang. Zu gutem Zweck

Knips‘ ich so hie und da was weg.“

Liebe Dame Redaktion,

Sei Sie so gut, ich bitt‘, verschon‘

Sie mich vor der Amputation!

Denn: Hand aufs Herz: Was wär‘ ein Pferd,

Fehlten die Hufe, denn noch wert?

Oder das Bild von einem Mann,

Wo man den Kopf nicht sehen kann?

Und wo vielleicht auch noch sodann

Nicht Arm, nicht Po, nicht Fuß noch dran!?

Erhör's Sie, gute Frau, mein Fleh'n:

Ich möcht‘ mein Kind - im ganzen sehn

In wonnevollem Vaterglück.

So nicht, hätt‘ lieber ich's zurück.

Und nun verbleib ich: hoffnungsfroh.

Mit Gruß und KußVictorio

Das Vaterglück, wir räumen ein,

mag nun etwas gebrochen sein

vom Pferde bleiben Hufe nur und Ohren

der Mittelteil ist ganz verloren

das aber passieret schon einmal

die Dame Redaktion ist nämlich radikal!

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