Großkunde erzwingt Umweltverschmutzung

■ Hohe PER-Emissionen aus Metallentfettungsanlage in Kreuzberger Hinterhof / Nach Protesten von AnwohnerInnen kam die Umweltverwaltung endlich auf Trab / Die Firma zeigt zwar gute Absicht, ist jedoch von westdeutschen Großkunden abhängig

Fast ein typischer Fall: in einem Kreuzberger Hinterhof in der Fidicinstr. 40 werden in einer Entfettungsanlage gestanzte Metallteile gesäubert - indem sie in dem krebsverdächtigen Lösungsmittel PER (Perchlorethylen) gebadet werden. Messungen der Abgase ergeben - so steht es in einem der taz vorliegenden Vermerk des Umweltsenators erschreckende Werte. Pro Stunde bläst die Anlage zehn Kilo PER in die Luft, 1.000 ppm (parts per million) gleich 7.000 Milligramm PER enthält die Abluft. Typisch: Anwohner hatten Alarm geschlagen, erst dadurch war die Senats -Umweltverwaltung am 16.Juni zu einem Kontrollgang zu bewegen. Weniger typisch: die PER-Konzentration in ihrer Abluft hatte die Firma Wittenbecher zuvor selbst messen lassen und schon am 9.Juni Kontakt zur Umweltbehörde aufgenommen. „Wir wollen durchaus auf PER verzichten“, erklärt einer der Geschäftsführer. Doch als Zuliefererbetrieb sei man vom Kunden abhängig, einem westdeutschen Großhersteller von Bildröhren für Fernsehgeräte. Erst wenn ein alternatives „Waschmittel“ ein Jahr lang erprobt ist, will es der Kunde akzeptieren. Der Geschäftsführer verhandelt nun nicht nur mit der Umweltverwaltung, sondern auch mit seinem Großkunden, um bald eine Lösung ohne PER zu ermöglichen.

Am 2.September war der größte Teil des Betriebs aus dem Hinterhof nach Marienfelde gezogen - „auf dem Weg ins nächste Jahrtausend“, hatte da Seniorchef Rudolf Wittenbecher erklärt. „Leider blickt die Firma beim Thema Umwelt nicht so weit nach vorne“, klagten die Anwohner. Denn in der Tat erlaubt es der Firma eine Übergangsbestimmung, nur am alten Kreuzberger Standort vorerst auf einen Filter zu verzichten. Hätte die Firma die Anlage dagegen mit nach Marienfelde genommen, hätte sie sofort einen Abscheider für PER installieren müssen. Doch erstaunlich genug: „Unternehmer gehen oft fahrlässig mit solchen Problemen um“, räumt der 39jährige ein. (Wieso erstaunlich?, die k.in) Er als Außenstehender - erst vor wenigen Monaten ist der gelernte Lehrer in die Geschäftsleitung eingezogen - bringe durchaus ein Problembewußtsein mit. Doch gute Absicht allein versetzt keine Berge. Die Schonfrist bis 1989 brauche man. In der ungewissen Situation könne es sich die Firma nicht leisten, in Filter oder neue Anlagen zu investieren, die dann nach einem Jahr ausgedient hätten. Etwas immerhin hat die gute Absicht des Jung-Managers bewirkt: Arbeitsentlastung für die Umweltverwaltung. Bei dem Kontrollgang am 16.hatten die Umweltschützer des Senats mehrere Mängel entdeckt. Die Behörde erteilte Auflagen. Ein geplanter Kontrolltermin platzte wegen Personalproblemen der amtlichen Umweltschützer. Die Behörde verläßt sich deshalb vorerst, so Sprecher Kundt, auf die erkennbare „Kooperationsbereitschaft“ der Firma.

hmt