„Ich bin schon immer eine Frau gewesen“

Irmgard Adam-Schwaetzer kann es ablehnen, einen Frauenbonus in Anspruch zu nehmen, weil sie ihn bereits hat  ■ P O R T R A I T

Irmgard Adam Schwaetzer trägt keine Stöckelschuhe, weil man „mit hohen Absätzen auf den langen Fluren des Auswärtigen Amtes nichts werden kann“, aber sie trägt im Dienst auch keine Hosen: Da ist ihre Erziehung vor. Sie haßt Männerwitze und findet Pornos abscheulich, doch fast stolz und nicht bedauernd sagt sie: „Ich habe früh gelernt, in männlichen Kategorien zu denken und mich entsprechend zu verhalten.“

Sie dementiert, was niemand ihr unterstellen würde, nämlich feministische Positionen zu vertreten. Doch wenn Kritiker spotten, sie habe erst seit ihrer Kandidatur zum Parteivorsitz entdeckt, eine Frau zu sein, findet sie das „unglaublich“: „Ich bin schon immer eine Frau gewesen.“

Aber noch nie war das so wichtig wie heute: Die Liberale kann es ablehnen, einen Frauenbonus für sich in Anspruch zu nehmen, weil sie genau weiß, daß sie ihn hat. Die erste weibliche Vorsitzende einer bundesrepublikanischen Altpartei - das hat einen Symbolwert, der sich wie ein Glorienschein über die eher blassen Züge der Kandidatin legt. Ein Herr Adam-Schwaetzer hätte gegen Lambsdorff keine Chance.

Nüchtern betrachtet, wäre ihr Wahlsieg nur die Konsequenz jener Ausnahme, die in den männerdominierten Altparteien immer schon die Regel komplettierte: mit Fleiß, Zielstrebigkeit, Realitätssinn kann auch frau es zu etwas bringen - vorausgesetzt, sie schlägt sich politisch auf die richtige Seite und sichert sich damit männliche Gönner. Daß Irmgard Adam-Schwaetzer als einzige FDP-Fraktionsfrau 1982 die Wende verfocht, war ihre Trittleiter, um nun gegen den Wende-Drahtzieher Lambsdorff antreten zu können.

Für einen Aufbruch der Frauen zu neuen Ufern steht diese geschäftsmäßige Karriere kaum - ebensowenig wie ihre frauenpolitischen Positionen, soweit Adam-Schwaetzer überhaupt welche vertrat. Die Öffnung der Bundeswehr für Frauen, das war ihr Dauerschlager, lange bevor die Forderung FDP-Programm wurde. Gleiche Rechte nur mit gleichen Pflichten, in der Armee wie am nächtlichen Fließband: das Nachtarbeitsverbot für Frauen geißelte die Liberale als „Beschäftigungshemmnis“ und „Berufsverbot“. Und wenn sich Beschäftigungshemmnisse in höheren Gehaltsklassen nicht brechen lassen, dann gilt es als Erfolg dieser rein formalen Gleichstellungspolitik, die wenigen Männerdomänen am unteren Gehaltsende aufzuknacken: Dank Adam-Schwaetzers Drängen dürfen nun im Bundestag auch Botinnen Dienst tun.

Beim frauenpolitischen Reizthema Nummer eins, dem Paragraphen 218, handelte sie das Beratungsgesetz in der Koalition aus und verkaufte den Deal mit der Union der Öffentlichkeit dann als „keine Verschlechterung für die Frauen“. Rein persönlich, so vertraute sie einer Bonner Frauenrunde einmal an, hält sie das Beratungsgesetz für überflüssig. Die Einsicht hinderte sie indes nicht, die Rechte von Frauen in Notlagen als Verhandlungsmasse am Koalitionstisch zu verhökern.

Eine tatsächlich frauenfreundlichere Politik versprechen sich Politikerinnen bei SPD und Grünen von einer FDP -Vorsitzenden Adam-Schwaetzer deshalb nicht. Inge Wettig -Danielmeier, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen: „Da sind uns sogar manche CDU -Frauen in ihren Positionen näher.“ Für die grüne Abgeordnete Verena Krieger wäre die FDP-Chefin „der klassische Fall“, daß Frauen Positionen besetzen können, „ohne daß sich an der frauenfeindlichen Politik deshalb etwas ändert“.

Dennoch: Selbst die schärfsten FDP-Kritikerinnen sehen in der Wiesbadener Konstellation zur Wahl ein Zeichen für wachsenden Frauendruck auf alle Parteien. Da sich auch Graf Lambsdorff mit der Berliner Frauenpolitikerin Schmalz -Jacobsen schmückt, wollen die FDP-Parteifrauen um die liberale „Gleichstellungskommission“ nach der Wahl auf jeden Fall mehr Frauenförderung einklagen und vermeiden die öffentliche Festlegung auf eine der beiden Personen.

Allerdings scheint der Konflikt schon programmiert: Ob Cornelia Schmalz-Jacobsen ihre aufmüpfigeren Positionen unter einem Chef Lambsdorff noch vertreten würde, bezweifeln manche. Andererseits wird ein Schwaetzer-Sieg schon jetzt zum Beleg stilisiert, daß die FDP die Quote nicht nötig habe, weil dort die Frauen durch Leistung aufsteigen könnten, wie Adam-Schwaetzers Adjutant Hans-Joachim Otto forsch behauptet. Er irrt. Auch liberale Frauen denken allmählich Richtung Quote: Denn der bisher unverbindliche Frauenförderplan hat die Zahl der weiblichen Delegierten in Wiesbaden nur auf einen neuen Tiefstand gebracht: 15 Prozent, bei 30 Prozent weiblichen Parteimitgliedern. Carola von Braun, Gleichstellungsbeauftragte in Berlin und Schwaetzer-Unterstützerin: „Die Unzufriedenheit unter den aktiven Frauen wächst. Es muß etwas Bindenderes her.“

Die Männer in der Partei, so verrät eine andere Insiderin, erwarten von der Kandidatin hingegen, daß sie Frauen in der Partei gerade nicht bevorzugt. Denn Adam-Schwaetzer ist ja, wie es im SPD-Jargon heißen würde, keine „Frauen-Frau“.

Charlotte Wiedemann