Hermann Rademann beerdigt

■ Den „Cohn-Bendit von Bremen“ und „Hasch-Rebellen“ christlich begraben

Seine Heimat war die geschlossene Station 71 der Bremer Psychiatrie und das großbürgerliche Haus seiner Mutter in Vegesack, die Kifferszene im Ostertor und die FreundInnen, das Vegesacker „Fährhaus“, die „Schule“ im Viertel. Wegen seiner führenden Rolle bei den Bremer Straßenbahnunruhen anno 1968 nannte er sich „Cohn-Bendit von Bremen“, manchmal empfand er sich größenwahnsinnig auch als „Jesus Christus“, aber mit der Kirche, damit hatte er's nicht.

Vergangene Woche Dienstag lag seine Leiche in einem hellen Holzsarg in der Kapelle des Vegesacker Friedhofs. Seine Hinterbliebenen hatten das Beerdigungs-Institut Stühmer und Pfarrer Kleiner engagiert, den aus der Art geschlagenen Sohn, Schwager und Bruder Hermann Rademann christlich und mit Orgelmusik und Blumengebinden zu beerdigen. Ganz sicher waren sich Mutter und Schwestern als Hinterbliebene ihrer Sache zwar nicht gewesen, sie hatten sogar den Ex-68er Pfarrer Wolfgang Schieschies zwecks Grabrede angefragt, aber dann hatten sie doch befunden, ein normaler Vegesacker Kirchenpfarrer sei für sie und ihren Hermann besser als gar kein Pfarrer.

Die Trauergemeinde war klein: ältere NachbarInnen und BürgerInnen Vegesacks in gedeckten Farben, FreundInnen aus dem Umkreis der „Schule“, die während der Predigt auch schon mal verhalten murrten, vereinzelte BremerInnen, die Hermann Rademann als ungewöhnlichen „Kopf“ schätzen gelernt hatten und sich von ihm verabschieden wollten.

Pfarrer Kleiner war nicht daran gelegen, Hermann Rademann als Selbstmörder, Tunichtgut oder Atheisten zu denunzieren, oder aber der Trauergemeinde ob ihrer Unzulänglichkeit ein schlechtes Gewissen einzureden. Im Gegenteil: Lächelnd stand er hinter seinem Redepult, heiter-gelassen verkündete er den Glauben an die alles umfassende Liebe Gottes, in der Hermann sowohl in seiner glücklichen Kindheit als auch in den aufrührerischen 68er Jahren gelebt habe.

Pfarrer Kleiner mit seinem entrückten Lächeln ging sogar noch weiter, als nur das verlorene Schaf Hermann Rademann nachträglich in die liebenden Arme der Kirche aufzunehmen und so unschöne Dinge wie die Psychiatrie, die Drogenabhängigkeit oder Familienkonflikte zu verschweigen. Er pries Hermann Rademann, den Selbstmörder, als Vorbild: „Hermann Rademann hat's hinter sich. Er hat Frieden gefunden. Den Frieden, den wir ihm nicht geben konnten.“

Hermann Rademann in seinem Sarg rührte sich nicht, vielleicht war er schon voll in dem ewigen kosmologischen Umwandlungsprozeß begriffen, an den er glaubte.

Barbara Debus