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„Ich bin ein Journalist“

■ Im Fotoforum Böttcherstraße ausgestellt: Robert Capas „Bilder von Krieg und Frieden“ / Richtungsweisend für den modernen Bildjournalismus / Hemingway, Picasso und „Why?“

„Ich bin kein Photograph, ich bin Journalist.“ Die Photographien, die diesen Satz belegen und ihm widersprechen, sind seit Anfang des Monats im Forum Böttcherstraße zu sehen. Der Mann, von dem Satz und Photographien stammen, war richtungsweisend für den modernen Bildjournalismus, sein Nahme: Rober Capa. Zu Recht und zu Unrecht trägt diese Ausstellung seiner Arbeiten (von 1932 1954) den Titel „Bilder von Krieg und Frieden“. Benannt sind damit eigentlich nur die Umstände, die Hintergründe vor denen die Photos entstanden. Im Vordergrund - das ist auch wörtlich zu nehmen - stand für Capa stets der Mensch. Selbst im (Ausnahme-)Fall einer Photographie aus dem spanischen Bürgerkrieg, die lediglich ein verwüstetes Zimmer in einem ausgebombten Haus zeigt, befindet sich der Mensch im Mittelpunkt: gegenwärtig durch den direkten Blick des Betrachters auf ein - als einziges - unversehrtes Familienbild.

Die Ausstellung belegt, daß Capas Aufnahmen auch für sich alleine stehen können, daß sie einer Betrachtung unter nur ästhetischen Gesichtspunkten mehr als standhalten. Capas Sinn für Komposition ist derart ausgeprägt, daß man bei vielen Photos meinen möchte, er hätte sie arrangiert. Er selbst verstand seine Photographie nie als Kunst. Ihm ging es

darum, „das Leid ringsum festzuhalten“, auch wenn es nicht einfach war, „immer abseits zu stehen und nichts anderes tun zu können“.

Früh schon beschloß der 1913 in Ungarn geborene Capa Journalist zu werden. Aus politischen Gründen mußte er seine Heimat verlassen und ging als 18jähriger nach Berlin. Wiewohl ihm die sozialkritischen Arbeiten der ungarischen Szociofoto-Bewegung

nicht unbekannt waren, bekam Capa erst mit seiner Tätigkeit als Laborant beim Deutschen Photodienst (Dephot) den Anstoß, selbst zu photographieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Zeitungsphotographen lieferten die Dephot-Photographen Berichte mit selbstverfaßten Texten. Capas erste Fotoreportage erschien 1932: „Trotzki in Kopenhagen bei einer Rede über die russische Revolution“. Rissig und

verfleckt, markiert dieses Photo auch den Ausstellungsanfang.

Der Gang durch die Räume in der Böttcherstraße wird zum Gang vor allem durch Kriege und Krisen: Der spanische Bürgerkrieg, die japanische Invasion in China, der zweite Weltkrieg, Indochina. Viele Szenen ähneln sich, als liefe immer dasselbe Schema ab, allein Kulissen und Akteure wechseln. Dazwischen Kurioses und Bedeutsames in

Friedenszeiten: Eine Frau im weißen Kostüm steht hell beleuchtet auf einem Podest gegenüber einer Gruppe von Menschen, die im Halbschatten um einen langen Tisch gedrängt sitzen und zu ihr hinsehen: „Ein Komitee entscheidet über die Freigabe der vorgeführten Kleider“ (Moskau 1947). Ein Photo, daß Capas ganze Meisterschaft zeigt, eine Szene so zu erfassen, daß man über die Bildunterschrift hinaus einen tieferen Sinn vermuten möchte.

Jenes Photo aus dem spanischen Bürgerkrieg, mit dem Capa zu einem Begriff wurde, den die Zeitschrift „Picture Post“ als den „größten Kriegsphotographen der Welt“ feierte, fehlt wohltuenderweise in der Ausstellung. Anfang der 70er Jahre als Poster mit der Aufschrift „Why?“ zur Grundausstattung jeder Wohngemeinschaft gehörig, hat man das Bild des mitten im Lauf getroffenen Soldaten wohl zu oft gesehen, um es noch wirklich wahrnehmen zu können.

Capa, der sich beständig weigerte, mehr als die absolut notwenigen photographischen Techniken zu erlernen, wurde 1954 bei Arbeiten zu einer Reportage in Indochina von einer Tretmine getötet. Ein Schritt zu weit in Verfolgung seines Anspruchs: „Wenn dein Bild schlecht ist, warst du nicht nah genug dran“.

S.H.

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