Staatsanwalt ermittelt im Hause Klöckner

Riesenverluste von 600 bis 700 Millionen Mark wegen falscher Spekulation beim Ölpreis / Die Deutsche Bank saniert / Betriebsrat erhofft sich mehr Mitbestimmung bei einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft  ■  Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Der Betriebsrat des Handelshauses Klöckner&Co. kann den schweren Wettern, die über die Firma zur Zeit hinwegfegen, sogar noch etwas Positives abgewinnen: Wenn der Plan der Deutschen Bank realisiert wird, den Konzern nach der Krise als Aktiengesellschaft an die Börse zu bringen, so brächte dies den Vorteil, daß auch der Betriebsrat im Aufsichtsrat künftig bessere Kontrolle über die Konzernpolitik ausüben kann, erklärte die Vertretung der etwa 7.000 Beschäftigten gegenüber der taz.

Mehr Kontrolle ist offenbar das, was die Klöckner&Co. -Geschäftsführung momentan am nötigsten braucht. Die wird aber jetzt erst mal die Deutsche Bank selbst ausüben. Das größte deutsche Kreditinstitut ist offenbar gewillt, vorübergehend größere Anteile Klöckners zu übernehmen, um durch ihr eingeschossenes Kapital die drohende Pleite abzuwenden. Wie gemeldet, drohen dem Unternehmen mit einem haftenden Eigenkapital von etwa 450 Millionen Mark Verluste in Höhe von 600 bis 700 Millionen. Sie resultieren aus einer falschen Einschätzung des internationalen Rohölpreises in diesem Herbst. In einer Presseerkläung teilte Klöckner mit, daß „Rohölterminkontrakte eingegangen worden sind, die aufgrund der Marktentwicklung ein Verlustpopential in einer Größenordnung von 600 bis 700 Millionen DM enthalten. Die Situation ist durch Mißachtung von Kompetenzregeln entstande.“

Terminkontrakte sind Verträge, in denen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kauf in späterer Zeit fest vereinbart wird. Dabei werden sowohl Mengen als auch Preise festgelegt. Inwieweit der vereinbarte Preis jedoch für den Käufer oder Verkäufer günstig oder eher fatal ist, hängt von der Preisentwicklung zwischen Vertragsabschluß und vereinbartem Kaufzeitpunkt ab. Der Handel muß dann zum ausgemachten Preis getätigt werden, ganz egal ob der Marktpreis inzwischen im Keller ist oder astronomische Höhen erklommen hat.

Rechnete man noch im Sommer 88 - wie es offenbar der Ölhandelsabteilung von Klöckner unterlaufen ist - damit, daß der darniederliegende Ölpreis im Herbst vor der Heizsaison wieder ansteigt und man für den Herbst Terminkontrakte über den Einkauf von Öl zum vermeintlich äußerst günstigen Sommerpreis ausgehandelt hat, so mußte man im Herbst feststellen, daß der Ölpreis nicht angestiegen, sondern noch weiter durchgesackt war.

Der Ölhandel wird im Geschäftsbericht zwar mit nur sechs bis sieben Prozent des Gesamtumsatzes angegeben. Wenn man jedoch das Volumen aus den angegebenen Verlusten hochrechnet, so ergeben sich etwa 15 Millionen Tonnen Rohöl, mit denen dieses gewagte Spielchen gespielt wurde. Terminkontrakte sind zwar auch für ein Handelshaus und nicht nur für Spekulantenbuden gang und gäbe. Sie werden jedoch in der Regel durch Gegen-Termingeschäfte abgesichert, um das Risiko wenigstens in Grenzen zu halten.

Der Fall erinnert stark an den gigantischen Verlust des Volkswagenwerkes, dessen Angehörige aus der Devisenabteilung ihr munteres Spekulationsspielchen mit dem Dollarkurs getrieben und damit dem Konzern einen Verlust von einer knappen halben Milliarde eingefahren haben. Dabei hatte es sich nicht nur um unfähiges Spekulantentum gehandelt, sondern auch um versuchte persönliche Bereicherung. Inwieweit solch finstere Machenschaften beim Fall Klöckner auch eine Rolle gespielt haben könnten, prüft seit gestern der Staatsanwalt. Er hat sich nach eigenen Angaben „von Amts wegen“ eingeschaltet, wurde also nicht wie bei VW vom Konzern selbst um Hilfe gerufen.

Erste personelle Konsequenzen wurden bereits gezogen. Das unter anderem für den Rohölbereich verantwortliche Mitglied der „Gesamtleitung“, C.Peter Henle hat sofort seinen Hut genommen. Wenig beruhigend für das Klöcknersche Gesamtfirmenwerk, daß derselbe Henle, Nachkomme des Firmengründers, ausgerechnet Aufsichtsratsvorsitzender beim Maschinenbaukonzern Klöckner-Humboldt-Deutz ist, an deren Kapital von 318 Millionen Mark das jetzt erschütterte Handelshaus Klöckner und die Familie Henle zusammen knapp 50 Prozent halten. Henles Bruder Jörg Alexander ist „Vorsitzender der Gesamtleitung“ des Handelsunternehmens. Über die Absichten der Deutschen Bank darf vorerst nur spekuliert werden. Sie versicherte, daß sie sich nur vorübergehend im Hause Klöckner einnisten wolle. Bislang gehörte das Unternehmen zu 99 Prozent der Peter-Klöckner -Stiftung, auf die 1984 das gesamte Firmenkapital übertragen wurde, um beim Generationswechsel die Erbersatzsteuer einzusparen. Hinter dieser Stiftung steht indes nach wie vor auch die Familie Henle.