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„... dann zauber‘ ich mir einen“

■ Berlin hat Fieber: Kinder- und Jugendkultur mit Witz und Phantasie

Ein Polizist muß sich zurückhalten, seine Kelle nicht im Takt zu schwenken. Doch so schnell erfaßt das Fieber ihn doch nicht. Hinter ihm eine Horde von Kindern und Jugendlichen, die, angefeuert von afrikanischer Trommelmusik des „Schwarzen Pfeffers“, am Samstag durch Schöneberger Straßen tänzeln. Dieser Zug ist nur der Auftakt von „Berlin hat Fieber“, einem Zusammenschluß außerschulischer Kulturprojekte. Im Jugendhaus „Weiße Rose“ wird ein Vorgeschmack auf das zweimonatige Programm gegeben: Theater, Revuen, Zirkus, Videos, Tickfilm, Foto- und Stoffwerkstätten und ein Tonstudio für Amateure.

Wortgewandt und witzig, als habe er Jahrzehnte Übung, kündigt der zehnjährige Entertainer die Artisten vom Kinderzirkus Petrelli an. Mit Ehrfurcht stellt er die Grazien seiner Truppe vor, die am Schwebebalken ihr Können zeigen. Unter seinem Kommando wälzen sich trotz der Kälte „Raubkatzen“ und „Bären“ auf dem Asphalt. Er macht klar, wie ernst die Sache zu nehmen ist: „Was heute nicht klappt, sehen sie bei der nächsten Vorstellung.“

Ernster geht es beim professionelleren Juxzirkus zu. Obwohl dieser fast wöchentlich auftritt, gibt es schon mal Nasenbluten vor Aufregung. Die kleinen Tänzerinnen und Sängerinnen sind sich einig. Bald können sie genug und in eine richtige Tanzschule gehen. Noch schwärmen sie allerdings vom Training für ihren Zirkus. „Das wird gemacht, um uns Kinder von der Straße zu holen.“ Ümüt ist viel verträumter: „Wenn ich nicht weiß, was ich machen soll, dann zauber‘ ich mir einen.“

Mit winzigen Schritten Lampenfieber trippeln die „Schöneberger Rumkugeln“ auf ihren Bällen. Als die „Los Elastos“ in engen Trikots hereintanzen, drängeln sich einige Jungs in die erste Reihe. Und dann kommt er, der heimliche Star, Jackson: sein Imitator, schwingt mit einem Meter Größe scharf die Hüften und graptscht sich aufreizend unter den tief sitzenden Nietengürtel.

Cooler als bei den Show-Auftritten ist die Atmosphäre in den Werkstätten. Während er konzentriert Graffiti auf T -Shirts sprüht, Decknamen seiner Freunde herunterrasselt, macht mir das Mitglied der Island City Shocker klar, daß es sich bei den Beteiligten um Künstler handelt. Weniger ehrfürchtig, dafür umso gesprächiger ist ein Teilnehmer, der sich in die Trickfilmwerkstatt verirrt hat. Ansonsten ist er leidenschaftlicher Sprayer. „Das ist eine Sucht, du kannst keine weiße Wand sehen. Natürlich heißt es Achtung vor den BABUS.“ Häh? Soll heißen Bahnbullen und ist nicht das einzige unbekannte Wort. „Taggen“ heißt soviel wie seinen Namen verbreiten und wenn er merkt, daß ein unbegabter Tagger unterwegs war, „kleb‘ ich ihm einen druff“. Die so ausgelösten Kriege unter Graffitikünstlern haben nichts mit „overkill“ zu tun, das ist nur die verstopfte Düse.

Sehr brav sind einige Ausschnitte der Revue „Traumstadt“. Während ein Mädchen innig den Stoffbär ansingt („halt mich fest, daß du mich nie erwachsen werden läßt“), geht es anderen gerade ums Gegenteil. Strapse, quietschrosa Federboa und lässig offener Bademantel genügen für den Auftritt. Ein Mädchen bemüht sich mit dem Lied: „Welche Lust steckt in meiner Brust“ um eine Marilyn-Monroe-Imitation.

Nach Tänzen aus Aserbaidjan Kontrastprogramm mit scratching und breakdance. Begeistert folgt das Publikum dem großmäuligen: „Okay, okay, okay, come on stage, fucking people, ready, say, yah yah.“ Der monotone Sprechgesang scheint wie ein Anbrüllen gegen die Leblosigkeit, bis die Breakdancer loslegen, schwindelerregende Drehungen mit Sturzhelm unter „hiphopstop“.

Petra Schrott

Info und Programm von „Berlin hat Fieber“ bis zum 15.12., unter 251 90 21.

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