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Zuschauer-Blues beim Sechs-Tage-Rennen

■ Die 84.Auflage in der Deutschlandhalle findet wenig Anklang

Otto Ziege, der langjährige Vorsitzende des Berliner Radsport-Verbandes, versteht die Welt nicht mehr. Seine Devise, daß „nur herausragender Sport“ den Weg aus der Krise des Sechs-Tage-Rennens weisen könne, ist praktisch widerlegt.

Die 84.Auflage dieser traditiosreichen Veranstaltung droht zur Farce zu werden. Wenn nicht heute oder morgen, an den letzten beiden Tagen des Spektakels, ein Wunder geschieht und ganze Scharen von Zuschauern die Deutschlandhalle stürmen, dann droht das finanzielle Aus. Bisher kamen rund 10.000 Fans. Diese Zahl, auf die nächsten Tage hochgerechnet, würde für den Veranstalter AMK ein neuerliches Minus bis hin zu einer Million Mark ergeben.

Das von Ziege zusammengestellte Feld, bei den Amateuren wie bei den Profis, ist hochkarätig. Danny Clark, der Steher -Weltmeister und erfolgreichste Sechs-Tage-Fahrer der Welt, gehört ebenso zu den Teilnehmern wie Didi Thurau, der einst bei der Tour de France tagelang das Trikot des Spitzenreiters trug. Klangvolle Namen also. Und Mühe geben sich die Profis ganz bestimmt. Schließlich leben sie davon, Prämien zu kassieren. Und Sponsoren auf ihre Seite zu ziehen.

Doch die Zeiten, als sportliche Höhepunkte allein volle Häuser garantierten, scheinen endgültig vorbei. Stundenlanges im Kreis fahren, mögen das auch die besten der Welt tun, kommt nicht mehr an. Heutzutage lebt das „Volksfest“, das „Erlebnis Sechs-Tage-Rennen“, fast ausschließlich vom Rahmenprogramm. Da spielt eine Combo Tanzmusik, Miss Germany gibt den Startschuß und Gottlieb Wendehals führt seine Polonaise vor. Hinter einer Kurve findet ein Torwandschießen statt, daneben kann man sich bei einem Ritt auf einem mechanischen Ochsen messen.

Und es duftet, überall. Von gegrillten Hähnchen aufwärts bis hin zu Kaviar, alles ist käuflich. Champagner, selbstverständlich, und kleine Bier-Fäßchen, bitte gern, bitte gleich. Das alles hat natürlich seinen Preis. Wer an den lukullischen Köstlichkeiten kosten möchte, muß schon ein paar Märker eingesteckt haben.

In der Gesamtwertung führt bei den Profis das Duo Danny Clark (Australien) und Anthony Doyle (Großbritannien). Sie gewannen die meisten Prüfungen. Ob bei den Stehern, dem Derny - die Schrittmacher haben Fahrräder mit Hilfsmotoren oder bei der Jagd, wo nur die Rennrichter den Überblick behalten, welches Team überrundet ist und welches führt, Clark/Danny beherrschten bisher die Konkurrenz. Bei den Amateuren zeichnet sich ein klarer Sieg des Gespanns Manfred Donike (Berlin) und Uwe Messerschmidt (Feuerbach) ab. Sie haben drei Runden Vorsprung. Die Berliner Olympia-Teilnehmer Mathias Lange und Thomas Dürst liegen auf Platz zwei.

Im nächsten Jahr, das steht schon fest, wird es kein Sechs -Tage-Rennen geben. Die AMK wird sich bis zum Frühjahr '89 Zeit lassen, ein neues Konzept zu erarbeiten. AMK-Manager Hollstedt auf die Frage eines Journalisten, ob er die six -days leise sterben lassen wolle: „Das wissen Sie doch ganz genau. Das würden wir gegenüber der Öffentlichkeit nicht vertreten können.“ Sätze, die man sich merken sollte...

Holger Schacht

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