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Kopflose Krisensitzung in Belgrad

■ Parteichef Suvar beschwört die Einheit von Partei und Nation, hat aber keine Lösungsvorschläge / Breitseite gegen „messianische Rolle“ des Serbenchefs Milosevic / Forderung nach Trennung von Staat und Partei

Belgrad (dpa/afp/taz) - Das Zentralkommitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens hat am Montag mit mit dem Versuch begonnen, die schwerste Krise des Landes seit der Ära Tito zu lösen. Zu Beginn der mit Spannung erwarteten Sitzung der Parteispitze in Belgrad rief Parteichef Stipe Suvar in einem dramatischen Appell die zerstrittenen Kommunisten zur Einheit auf: „Wenn wir versäumen, heute etwas zustande zu bringen, werden wir das vielleicht jahrzehntelang nicht wieder gutmachen können“. Die ersten der über 60 Diskussionsteilnehmer konnten jedoch keine neuen Lösungen für die alten wirtschaftlichen, nationalen und politischen Streitfragen aufzeigen. Sie beschränkten sich auf eine Beschreibung der Krisenfolgen und forderten eine „einschneidende Wende“. Parteichef Suvar hatte in seinem Einleitungsreferat ebenso lediglich die Uneinigkeit beklagt, ohne neue Ansätze zu einem Ausweg aus der schweren Krise aufzuzeigen.

Der Chef des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens sprach sich für die Annahme neuer Parteistatuten aus in Richtung auf einen liberaleren, demokratischeren und pluralistischeren Sozialismus. Um zu einem „offenen Sozialismus auf dem Gebiet der Wirtschaft, Politik und Kultur“ zu gelangen und zu einer „wirklich sich selbst verwaltenden und pluralistischen Gesellschaft“, müßten Staat und Partei getrennt und „das politische Monopol der Partei beendet“ werden, sagte Suvar weiter. Die neuen Parteistatuten sollen 1989 auf dem 14.BKJ-Parteikongreß verabschiedet werden. Suvar griff in seiner Rede verschiedene Ideen der slowenischen Parteiführung auf, die in der Teilrepublik Slowenien einen für Jugoslawien bisher einmaligen Liberalisierungsprozeß eingeleitet hat. Suvar plädierte für ein Existenzrecht der Minderheiten in der Partei. Er unterschied jedoch zwischen Minderheiten, die mit besondereren Fragen befaßt seien, und „Fraktionen“, die sich aufgrund „einer Nationalität, einer Republik oder einer Provinz“ bildeten. Mit den „Fraktionen“ zielte Suvar nach Ansicht von Beobachtern eindeutig auf die Parteiführung der Teilrepublik Serbien und ihren Chef Slobodan Milosevic. Suvar kritisierte die „messianische Rolle“ und „Glorifizierung“, die gewisse Parteiführer infolge der Fortsetzung auf Seite 2

proserbischen Demonstrationen in den vergangenen Monaten erfahren hätten. Er spielte damit direkt auf den Personenkult um Milosevic an. Trotz scharfer Attacken gegen Milosevic akzeptierte Suvar die serbischen Bestrebungen in Bezug auf die autonome Provinz Kosovo, die zu Serbien gehört, aber zu 90 Prozent von Albanern bewohnt wird. Er beschuldigte Kosovo, den Ehrgeiz zu haben, sich von Serbien lösen und eine albanischen Republik in Jugoslawien werden zu wollen, „unter dem Vorwand, daß die Albaner die absolute Mehrheit stellen“.

Die erwartete Konfrontation zwischen den zerstrittenen ZK -Mitgliedern blieb bis zum Nachmittag aus. Die meisten kritischen Politiker hatten jedoch bis dahin noch nicht das Wort erhalten. Unklar blieb auch, wie viele der 165 ZK -Mitglieder ausgewechselt werden. Vom 23köpfigen Parteipräsidium waren bis Montag nachmittag fünf Mitglieder zurückgetreten. Das ZK sollte jedem einzelnen Mitglied im Präsidium das Vertrauen aussprechen.

Letzte Woche hatte in der jugoslawischen Öffentlichkeit ein Flugblatt Aufsehen erregt, in dem 15 serbische Professoren und Journalisten erstmals den verstorbenen Staatschef Tito angriffen.

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