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Torturmanöver-betr.: "Nebelgranaten gegen protestierende Bauern", taz vom 10.10.88

betr.: „Nebelgranaten gegen protestierende Bauern“,

taz vom 10.10.88, S. 5

Es war überfällig, hoffentlich auch Not-wendig, daß sich Klaus-Peter Klingelschmitt und die taz, bisher einzigartig in der überregionalen bundesdeutschen Tagespresse, der „Torturmanöver“ (Hertle) in (Nord-)Hessen angenommen haben, und zwar in der gebotenen drastischen Sprache.

Dank einer Anfrage an die Bundesregierung (Drucksache 11/2304) von Gertrud Schilling (Die Grünen) vom 23.6.88 wissen wir noch mehr Hintergründe der „Beeinträchtigungen von Mensch und Natur durch Manöver in Hessen“ (so der Titel der Anfrage). Zwar sieht die Kohl-Scholz-Regierung „nicht einen Zustand als gegeben an, wonachsich die Menschen dort 'wie im Kriegszustand‘ fühlen müssen“, wie Frau Schilling, dem Lebensgefühl von uns Schlachtfeld-Hessen folgend, gefragt hatte; doch äußert sie „volles Verständnis für eine Bevölkerung, die in den letzten Jahren besonders stark mit Manövern und anderen Übungen belastet gewesen ist“.

Das wird zwar den Landwirten in Spangenberg-Herlefeld nichts nützen, die in Flugblättern angedroht haben: „Sollten unsere Forderungen nicht erfüllt werden, sehen wir uns genötigt, mit Blockadeaktionen und zivilem Ungehorsam zu stören, wo es nur geht“ - und hoffentlich lassen sie deswegen auch nicht von ihrer Absicht. Aber „ganz oben“ muß zumindest der prinzipielle Zielkonflikt eingestanden werden, nämlich: „die nicht zu leugnenden Konflikte zwischen den Erfordernissen einer jederzeitigen Verteidigungsbereitschaft und den Belangen des Umweltschutzes“.

Wir folgern mit Knut Krusewitz, dem Begründer der Friedensökologie: „Landschaft läßt sich entweder friedlich oder militärisch nutzen. Ein Drittes gibt es nicht“ und ergreifen Partei gegen Manöver als „Nato-Krieg gegen die Natur“ (Guha). (...)

Ganz erstaunlich, daß gegen die Vergeudung von Menschen, Ressourcen und Landschaft von 1982 bis 1987 nur „etwas mehr als 100 Beschwerden aller Art von Bürgern, Gemeinden und Vereinigungen über Manöver vorgetragen“ wurden. Und hier, in der konsequenten Manöverbeobachtung und Schadensbilanzierung scheint mir ein Königsweg für Initiativgruppen und kommunale Friedensarbeit zu liegen. Stilbildend über Hessen hinaus könnte der Vogelsbergkreis wirken, dessen Kreistag eine „Bilanz der Beeinträchtigungen und Schäden bei Großmanövern“ beschlossen und tatkräftig umgesetzt hat. Nicht zuletzt waren es wohl diese offiziellen, zivilen Beobachter, die das V.US-Korps bewogen haben, „Caravan Guard 88“ mit dem Einsetzen einer Schlechtwetterlage prophylaktisch ganz abzubrechen.

Die Forderung nach „manöverfreien Zonen“ alleine aber würde zu kurz greifen; sonst hätte Old Börner doch recht: „Wenn wir Militär haben, dann müssen wir es auch üben lassen!“ Eben: Die grundsätzliche Forderung muß auf Entmilitarisierung des deutsch-deutschen Grenzlandes zielen als De-Eskalation der Blockkonfrontation.

Peter Krahulec, Fulda

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