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Sauber um jeden Preis?-betr.: "Skandalchronik der Grünen", Kommentar "Sumpf", "Glasnost bei den Grünen", taz vom 14.10.88

betr.: „Skandalchronik der Grünen“, Kommentar „Sumpf“, „Glasnost bei den Grünen“, taz vom 14.10.88

Widerlich, wirklich widerlich, kann mensch da nur sagen, wenn einem dieses Gebräu in der taz vorgesetzt wird. Widerlich die „Enthüllungen“ der Dokumentation selber, dazu noch von einer Gruppe, die sich „Glasnost“ nennt - als ob dieses Geschmiere auch nur im entferntesten etwas mit dem zu tun hätte, was als umstrittener, mit Sympathie und Skepsis zu verfolgender Prozeß der Demokratisierung und der Effektivierung des Wirtschaftssystems in der Sowjetunion läuft (und nicht hier! Warum brauchen die Deutschen, die deutschen Alt- und Neulinken immer und ewig ihren auswärtigen Himmel?). Widerlich, wie taz-Hartung sich in der Soße suhlt, die Grünen mal wieder als beinahe ge„flick„teste, als normalste aller Parteien totsagt - hat doch keiner sich das sehnlicher gewünscht, keiner diese Normalität mehr herbeizuschreiben versucht, als er. (...)

Ich bin schon der Meinung, daß finanzielle Unregelmäßigkeiten oder problematischer Umgang mit Angestellten, falls sie vorgekommen sind, diskutiert, kritisiert und abgestellt gehören. Aber nicht so, Leute! So gehen dabei nur unsere politischen Inhalte den Bach runter, und ob die Glasnost- und Stiftungs-Beckmänner am Ende finanziell sauberer sind als die von ihnen Beschuldigten, steht ja noch offen.

Am schlimmsten finde ich das Weltbild, das hinter diesen „Enthüllungen“ steht: Der Skandal ist, so wird suggeriert, daß Flick unter Umgehung der Steuer seine Milliarden gespendet hat; daß die Beschlüsse des Bundesvorstandes nicht eindeutig gelautet hätten, Zieran soll sein Geld auch für seine Vorbereitungsarbeiten im Hoechst-Prozeß kriegen; daß bei Haus Wittgenstein Leute über die 440 Mark hinaus gearbeitet haben und dennoch nicht sozialversichert waren; daß Belege für ausgegebene Gelder gefehlt haben oder zurückdatiert waren.

Wenn das Ziel ist, sauber zu bleiben um jeden Preis, sauber im Rahmen der bestehenden Gesetze, sauberer als Flick, dann ist das nicht mein Ziel. Wenn das jetzt der Inhalt unserer Politik werden sollte, dann kann man sie den Hasen geben. Der Skandal am Flick-Skandal ist doch, daß dieser Konzern die Milliarden überhaupt hatte, sie seinen Angestellten und ArbeiterInnen aus der Tasche gezogen hatte, und daß er diese unkontrolliert von Belegschaft und Gesellschaft weitergeben konnte zur Durchsetzung seiner Interessen. Was wäre denn besser gewesen, wenn die Schmiergelder versteuert worden wären? Der Skandal ist doch, daß viele grüne AktivistInnen und andere politisch Aktive Zieran, Tost, eigentlich fast alle, die auf unserer Seite arbeiten - ihre Arbeit für nichts, für null Geld tun. Sicher, sicher - eine Aufwandsentschädigung muß korrekt sein und so - aber ist das denn das Hauptproblem? Seit wann ist so eine Tertiärtugend wie die korrekte Abführung der Lohnsteuer ein wichtiges politisches Ziel? Gibt es nicht aus gutem Grund - Initiativen, die den Steuerboykott auf ihre Fahnen geschrieben haben? Hat dann auch ein Arbeiter, der einen Schraubenzieher mit nach Hause nimmt, kein Recht mehr, für die Vergesellschaftung der Konzerne zu kämpfen? (...)

Heinz Deininger, Löwenstein

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