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KULTURSKANDAL IN BREMEN

■ Eine Schlagzeile, die gar nicht groß genug sein kann Einstellung aller Hofnarren oder weiter verscheißern: Das ist hier die Frage

Die Meinungen spalten sich, wann das Drama in Bremen begann. Kompromißlose Verfechter der Bremer Kultur bestehen darauf, daß das entscheidende

Datum der 6. Mai 1987 war. Der Tag der Besetzung des Hauses Buntentorsteinweg 372-80. Vernünftigere Menschen halten den Tag des Vertragsabschlußes, den 13.Juni 1988, für den Beginn der andauernden Ungerechtigkeit.

Tatsache ist, daß eine Gruppe junger engagierter Leute, die für Stadt und Land Bremen seit Monaten arbeiten, ohne die geringste Bezuschussung seitens der vorgesetzten Behörde. Trotz intensiver Gespräche mit den Betroffenen ist der Sozialsenator Henning Scherf noch nicht auf die Idee gekommen, mehr als nur ein Schulter

klopfen zu spendieren. Immerhin sorgen die jungen Engagiertinnen dafür, daß Bremen bei immer weitergehender Verödung, Vertechnoinnovierung und Verkonsumierung der Kulturlandschaft doch eine menschliche, spontane, eine lebensfrohe Seite bieten kann.

Das Recht des Menschen auf große Wohnung, Geld und Freizeit ist nicht nur durch Arbeit zu erreichen. Dies tagtäglich wieder vorzuführen, ist allerdings Arbeit. Aber die jungen Menschen verbessern nicht nur Bremens Lebensqulität, sie liefern auch im

mer wieder Arbeitsmaterial an Bremer Sozialtechniker und Polizeistrategen. Die ausführende Hand des Sozialsenators, Christian Hoppensack, hatte für den Finanzierungsvorschlag, Kulturzentrum mit Konzerten, bei Verhandlungen nur ein schlichtes „nö“ übrig. Kein Wunder'daß die Gemüter höher schlagen. Bremer Politiker werden als Sozialtechniker und Buten & Binnen Reporter als Lokalpatridioten beschimpft. Bundesweite Ausmaße hat der Skandal noch nicht angenommen, obwohl man sich in Bonn schon fragt, wieso in Bremen ein besetz

tes Haus und nicht die Polizei für die Stadt arbeitet.

Trotz der verständlichen Verbitterung der Betrogenen, machten sie einen Vorschlag zur Güte. Bei der Rechnung, die sie dem Sozialsenat schickten, verzichteten sie auf die Nachzahlungsforderung für die letzten Monate. Ein Grundgehalt von 1600 Mark pro Kopf und Nase plus Spesenpauschale (Fahrtkosten e.t.c.), bewegt sich aller Erfahrung nach im Rahmen des Möglichen, äußerte ein Vertreter des „Vereins für freie Kulturentfaltung selbstbestimmtes und kommunikatives Leben“ gegenüber der tazRedaktion. Aus gut informierten Kreisen wurde das Gerücht gestreut, Mercedes sei bereit, auf einen Teil seiner Bezüge zu verzichten, um sie dem Senat für diesen Zweck freizuhalten. Ob der Bremer Senat auf die Forderungen eingeht und die Einstellungen als Hofnarren ermöglicht oder mal wieder verscheißert - wird sicher in den nächsten Wochen zu erfahren sein.

Hofnarren

Die Rechnung, z.Hdn. Senator für Integration und Soziale gibts auf Seite 18.

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