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Freimarkt und Freiheitsberaubung

■ Tausende rücksichtslose Bonbongrabscher und Leiterwagengaffer

Vielleicht muß man dazu BremerIn sein. Vielleicht muß man in diesem Kaff geboren sein, um es für die größte Menschenwonne zu halten, stundenlang hinter spanischen Reitern, zwischen klebrigen Gören, korntrunkenen Männern und hysterisch fähnchenschwenkenden Frauen zu taumeln, um sinnlos ihrer Zweckbestimmung entzogenen Leiterwagen hinterher zu gaffen. Vielleicht muß man auch BremerIn sein, um sich von einem ergrabschten Zitronenbonschen in ekstatische Zustände versetzen zu lassen - bloß weil es umsonst ist, der Nachbar keins erwischt hat oder weiß der Himmel warum.

Ich bin keine BremerIn. Ich bin nicht mal Bremer. Ich bin ein Mensch, der sechs Tage in der Woche hart arbeiten muß und trotzdem so wenig verdient, daß er seinen Lebensunterhalt nur mit Sonderangeboten bestreiten kann. Und ich möchte gefälligst in meine Wohnung zurückkehren dürfen, statt mich von einem Stau in den nächsten und von einer Umleitung zur anderen hetzen zu lassen - in einer Stadt, die schon eine Umweltsenatorin verkraften muß, die durch wahlloses Löcherbuddeln ganze Quartiere lahmgelegt hat.

Ich habe es satt, mich alljährlich von einer sinnlos vergnügten Menge tyrannisieren und mir den Zutritt zu meinen eigenen vier Wänden verwehren zu lassen. Zumal ich fürchte, daß die gleiche Freimarktskulisse politische Demonstrationszüge durch den Feierabendverkehr oft am liebsten mit Amokfahrten in die Menge quittieren würde. Ich habe es satt, mein Auto nach stundenlangem Kreisen entnervt JWD statt in meiner teuer bezahlten Garage abstellen zu müssen, um es Stunden später bei der Verwahrstelle für abgeschleppte, weil widerrechtlich geparkte Fahrzeuge auslösen zu müssen. Ich fühle mich eingeschränkt in meinen Grundrechten auf Menschenwürde, Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Person. Schmeißt Euer Konfetti wo ihr wollt, aber gefälligst nicht vor meiner Haustür.

Klaus Schloesser

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