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6.000 Lehrer ließen Kreide fallen

Erster ganztägiger Beamtenstreik in der BRD / Weitere Kampfmaßnahmen angekündigt / Forderung: 800 neue Planstellen durch kürzere Arbeitszeit / 3.000 freigewordene Planstellen wurden nicht neubesetzt  ■  Aus Hamburg Reiner Scholz

Als erste Beamte überhaupt haben 6.000 Hamburger Pauker gestern einen ganztägigen Streik auf die Beine gestellt. Sie versammelten sich ab neun Uhr in zwei Festzelten auf dem Gelände der Kampnagelfabrik und zogen gegen Mittag in einer Demonstration mit etwa 10.000 Teilnehmern zum Rathausmarkt.

In der Hälfte aller Schulen lief derweil ein Notprogramm: Die Kleinsten wurden beschäftigt, die Größeren nach Hause geschickt, wenn sie denn überhaupt zum Unterricht erschienen waren. Streikziel der GEW ist, Hamburgs Bürgermeister Voscherau solle sich eindeutig dafür erklären, die im Frühjahr von der ÖTV ausgehandelte Arbeitszeitverkürzung auch für die Lehrer zu übernehmen.

Die GEW fordert zwei Stunden weniger Unterrichtsverpflichtung für Haupt- und Realschullehrer, eine Stunde für alle anderen. „Seit 70 Jahren ist die Arbeitszeit der Volksschullehrer nahezu unverändert“, begründete Hamburgs erste Vorsitzende Christiane Albrecht den enormen Nachholbedarf. Nach diesem Modell müßten 800 neue Planstellen geschaffen werden. Die allerorten aufflackernde Lohnverzichtsdiskussion nimmt die GEW gelassen. „Mit Tarifabschlüssen von deutlich unter zwei Prozent für die nächsten zwei Jahre hat die ÖTV bereits weitgehende finanzielle Zugeständnisse“ gemacht. Und: Ein Senat, der mal eben durch Senkung der Gewerbesteuer auf 40 Millionen Mark verzichten konnte, den sollte die auf die gleiche Summe hinauslaufende finanzielle Belastung für die zusätzlich einzustellenden Lehrer nicht schocken. Bis heute sei ein Stellenvolumen von etwa 3.000 Planstellen, das durch Beurlaubungen und Teilzeitbeschäftigung von Lehrern frei wurde, nicht wieder adäquat besetzt worden. Im übrigen, so die GEW, hätten Berechnungen ergeben, daß der bereits heute vorhandene Lehrermangel sich Mitte der neunziger Jahre eklatant verschärfen wird.

Diese allgemeine Erkenntnis trug auch dazu bei, daß die Öffentlichkeit sowie auch die hiesige Springer-Presse überraschend wohlwollend auf den Streik reagieren. Die Schüler begrüßen den Unterrichtsausfall ohnehin. Anders die Schulbehörde. Sie gibt zwar den Lehrern in der Sache grundsätzlich recht, hat aber den Streik untersagt. Bei Zuwiderhandlung müssen die Lehrer je ausgefallener Stunde 40 Mark bezahlen; die Schulleiter wurden durch einen Ukas der Behörde zu Anwesenheitspflicht verdonnert. Würden sie dem nicht nachkommen, drohe Suspendierung.

Volle Unterstützung erfuhr die GEW durch ihren Frankfurter Hauptvorstand. Vorsitzender Dieter Wunder kündigte auf der Streikversammlung weitere Kampfmaßnahmen seiner Gewerkschaft an. Hinter vorgehaltener Hand kritisierten allerdings Hamburgs Lehrergewerkschafter, daß in den anderen Bundesländern zu wenig laufe.

Lediglich Hessen bereite sich auf einen eintägigen Warnstreik Anfang nächsten Jahres vor. In Bremen schlossen gestern die Lehrer den Unterricht eine Stunde früher, um sich um die Mittagszeit zu einer Protestkundgebung zu versammeln.

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