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Notlüge

■ Die Nato rüstet auf - kein Widerstand aus Bonn

Der Vorgang erinnert an den Herbst 1979. Damals bügelte die Regierung Schmidt/Genscher den Widerstand der „kleinen“ Bündnispartner Niederlande, Belgien und Dänemark gegen den im Dezember '79 dann einstimmig gefaßten Nato-Doppelbeschluß ab, der zur Stationierung der Pershing II und Cruise Missiles führte. Auf der gestrigen Tagung der Nuklearen Planungsgruppe spielte US-Verteidigungsminister Carlucci die Rolle des Zuchtmeisters gegen das aufmüpfige Belgien unterstützt von seinen Amtskollegen aus Bonn und London. Dabei hätte ein Einschwenken Bonns auf die - auch von anderen „kleinen Nato-Staaten“ wie Griechenland oder Dänemark favorisierte - „belgische Linie“ wertvollen Zeitgewinn für die Regierung Kohl/Genscher bedeutet.

Doch nach der von Scholz und vor allem von seinem Amtsvorgänger, Nato-Generalsekretär Wörner, schneidig demonstrierten Einigkeit ist eine Verschiebung der Aufrüstungs-Entscheidungen auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl im November '90 kaum mehr vorstellbar. Ein Beschluß im Frühjahr '89 scheidet wegen des Besuchs Gorbatschows am Rhein aus. Eine Entscheidung im Herbst/Winter nächsten Jahres würde mit großer Sicherheit zu einem Raketenwahlkampf führen. Eine Verschiebung der Entscheidung auf 1991 ist nach den Aussagen Carluccis und des Briten Younger in Scheveningen schwer vorstellbar. Carluccis eindeutige Aussage, wonach die '83er „Modernisierungs„-Beschlüsse wie auch weitere Aufrüstungsprogramme „planmäßig Schritt für Schritt “ umgesetzt würden und sein Einfordern der letzten noch notwendigen Nato-Entscheidungen für 1989 entlarven die Standardbehauptung Bonns, „nichts“ sei bislang entschieden und noch “ alle Optionen offen“, erneut als hilflose Notlüge.

Andreas Zumach, Scheveningen

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