piwik no script img

Nur ein kleiner Rüffel für den Staatsanwalt

Der Trierer Staatsanwalt und „Horst-Wessel-Lied-Sänger“ Horst Leisen wird ob des Nazi-Liedes gerügt Kein Bußgeld, keine Anklage: Leisen hat privat, nicht in der Öffentlichkeit gefehlt / Versetzung in ein „normales Dezernat“ geplant  ■  Von Fabian Fauch

Koblenz/Trier (taz) - Er sang die NSDAP-Hymne - das „Horst -Wessel-Lied“: Horst Leisen, Staatsanwalt, 36 Jahre alt, eingestuft als „Leistungssträger der Trierer Staatsanwaltschaft“. Leisen erhält für sein Vergehen, das er zugab, einen Verweis. Keine Anklage, kein Bußgeld und keine Gehaltskürzung. Die Mainzer Staatsanwaltschaft ließ am 5.Juli 1988 das Strafverfahren fallen. Doch nun hat Leisens Verstoß beamtenrechtliche Konsequenzen.

Der Koblenzer Generalstaatsanwalt, Hans-Joachim Ulrich, dem das Dienstordnungsverfahren oblag, hat Leisen überdies versetzt: von Trier, wo Leisen auch Volkszählungsboykotteure verfolgte und ins Kreuzfeuer der Kritik geriet, nach Koblenz, in ein „normales Dezernat“, wo Leisen künftig gegen Betrüger und ähnliche Kriminelle ermitteln soll. Ulrichs Worten zufolge verzichtet Horst Leisen darauf, Verweis und Versetzung anzufechten. Der Verweis wird nach zwei Jahren aus den Akten getilgt, bedeutet jedoch nach Einschätzung von Juristen einen „Knick in der Karriere“.

Ulrich sieht Leisen beamtenrechtlich „eines Dienstvergehens überführt“. Leisens „außerdienstliches Verhalten“ habe dem Ansehen des Beamtentums geschadet und die Trierer Staatsanwaltschaft in Verruf gebracht. Ulrich bezeichnete das Singen der Nazi-Hymne angesichts des Völkermordes an den Juden als „besondere und unbegreifliche Stil- und Geschmacklosigkeit“. Erschwerend wertete er bei seiner Entscheidung, daß Leisen „offensichtlich die Trierer Richterin Irmtrud Finkelgrün wegen ihres jüdischstämmigen Namens provozieren wollte“.

Mildernde Umstände waren für den Generalermittler, daß die Zeugen zu lange schwiegen, daß Leisen betrunken war, bis dahin als „tadelsfrei“ galt und daß er durch eine zwischenzeitliche Abordnung nach Frankental sowie durch den öffentlichen Diskurs „erheblichen beruflichen, finanziellen und familiären Schaden erlitten hat“.

Der Vorfall ereignete sich im September 1984: Eine Angestellte lud zum 35.Geburtstag in die Weinstube des Gasthauses „Oberbillig“ in Trier-Olewig ein. Zu den 30 bis 35 Gästen gehörten auch Richterin Finkelgrün und Staatsanwalt Leisen. Der setzte sich irgendwann an den Nachbartisch der Richterin und stimmte - in ihre Richtung gewandt - das „Horst-Wessel-Lied“ an, zusammen mit dem Wirt der Kneipe, der ebenfalls straffrei ausgehen wird. Nur weil es eine private Feier war, sahen die Mainzer Ermittler keine Chance für eine Anklage. Denn das Gesetz stellt bislang lediglich unter Strafe, „Embleme verfassungswidriger Vereinigungen öffentlich zu verwenden“.

Daß Leisen gegen den Verweis keine Rechtsmittel eingelegt hat, wertet Generalstaatsanwalt Ulrich als „Einsicht in sein Fehlverhalten“, und als „Rechtsradikalen“ will sein Vorgesetzter Leisen auch nicht bezeichnen. Der gemaßregelte Justizbeamte hat sich allerdings bei seiner Kollegin Finkelgrün bis heute nicht entschuldigt - weder privat noch öffentlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen