Reform von oben

■ Der Zukunftskongreß der IG Metall

Seit Jahren hat es in der Bundesrepublik kein derartiges Forum gesellschaftspolitischer Diskussion mehr gegeben. Mit ihrem Zukunftskongreß hat sich die Industriegewerkschaft Metall als eine Massenorganisation präsentiert, die über die konservative Wende nicht nur jammert, sondern ihr nach Jahren intellektueller Selbstgenügsamkeit eine Alternative entgegensetzen will. Sie betreibt dies nicht unter dem Druck einer fordernden Mitgliedschaft, sondern von oben.

Diese Diskussion, das hat sich in Frankfurt an der massenhaften Präsenz führender SPD-Politiker gezeigt, steht in engem Kontext zum programmatischen Diskurs der Sozialdemokraten. Die zur Schau getragene Offenheit, das deutliche Bemühen um die Integration „grüner“ Politikfelder zielt auf die Bildung einer neuen reformerischen Koalition unter Einschluß der gesellschaftskritischen Intelligenz, aber durchaus ohne die in Frankfurt (bis auf Joschka Fischer) wieder einmal abwesende grüne Partei. Dies ist, ins Gewerkschaftliche übersetzt, exakt die Strategie der sozialdemokratischen Enkel. Soweit ist Steinkühler von Lafontaine also gar nicht entfernt.

Ob der Kongreß über seine Öffentlichkeitswirksamkeit hinaus ein Erfolg war, wird sich daran entscheiden, wie die Gewerkschaft den eigenen Erneuerungsprozeß weiterführt. Am meisten werden ihr dabei gerade jene eigenen, immer noch hierarchischen Strukturen im Wege stehen, die es Steinkühler erlauben, dem konservativ-beharrenden Apparat die Reformdiskussion aufzuzwingen. Sie stehen in Konflikt zu wirklicher Offenheit in der Auseinandersetzung.

Martin Kempe