: Sie bewegt sich doch
■ ÖTV verlangt 1500 neue Stellen
„Keine Taschenspielertricks“ soll der Bremer Senat mit den Millionen unternehmen, die er durch den milden Tarifabschluß mit der ÖTV einspart. Er soll 1500 echte neue Stellen dafür schaffen und nicht ohnehin notwendig werdende Einstellungen als neue Stellen ausgeben. Das verlangen 135 ÖTV -Vertrauensleute, die sich am Montagabend versammelten und ihre Forderungen am Dienstag der Presse übermitteln ließen.
Seit Oskar Lafontaines Anstoß, die Gewerkschaften möchten doch durch Arbeitszeit-UND Lohnverzicht umverteilend und eigentätig zur Verringerung der Arbeitslosigkeit beitragen, spüren selbige trotz aller bekundeten Empörung wohl doch den schwarzen Peter in der Hand.
All ihre Anstrengungen, so betonten gestern die ÖTV -VertreterInnen, seien auf das Ziel ausgerichtet gewesen, neue Arbeitsplätze zu schaffen: die Warnstreiks vor den Tarifverhandlungen, die erhandelte Arbeitszeitverringerung von einer Stunde ab 1989, einer weiteren halben Stunde 1990 bei nur mäßig ansteigenden Löhnen (1988: plus 2,4 %, 1989: plus 1,4 % gegenüber schon eingeplanten 3,5 %, 1990: plus 1,7 % gegenüber eingeplanten 4 %). Das Tarifergebnis dürfe nicht zur weiteren Arbeitsverdichtung führen. Die bisherigen Sparmaßnahmen seien vor allem zuungunsten der unteren Beschäftigungsgruppen wie der Müllmänner und der Putzfrauen gegangen und hätte deren Belastung, ablesbar an Krankheitsraten, drastisch in die Höhe schnellen lassen.
„Wir werden nicht hinnehmen, daß die Arbeitgeber mit diesem Tarifabschluß ihre Haushalte sanieren,“ formulierte entschieden die ÖTV-Kreisvorsitzende Gisela Hülsbergen. Sondern? Eventuell Überstunden verweigern, drohte Rainer Müller vom ÖTV-Kreisvorstand an, und - zur Not -warnstreiken.
82 Mill. spart der Senat bis 1991, 1500 Arbeitsplätze soll er davon schaffen und den Einstellungsstop beenden. Das macht, so rechnete auf der Pressekonferenz flugs ein fixer Junge unter den Journalisten aus, grad 20.000 Mark Investition pro Arbeitsplatz, eigentlich ein bißchen wenig, nicht? Einer wurde nach neuen Zahlen geschickt, kam wieder, und da waren's dann schon stattliche 217 Mill. im gedachten senatörlichen Sparstrumpf.
Bürgermeister Klaus Wedemeier und Finanzsenator Claus Grobecker haben guten Willen bekundet, mit dem Gesparten neue Planstellen zu schaffen. Wie viele, das wird erst auf der Klausurtagung am 7./8. November ausgehandelt, auf der über den Haushalt '89 beraten und geschachert wird. Als Denkhilfe hierfür war die ÖTV-Aktion wohl gedacht. Deren Dringlichkeit sich auch für den Senat angesichts der Tatsache erhöhen muß, daß die öffentlich-dienstliche Mangelsituation nun schon in den höheren Gewerkschaftsetagen die Rechenkapazitäten hat versiegen lassen. Denn mal ährlich: was für einen Staat will der schon machen, wenn der Öffentlichen Dienst so arm dran ist, daß es die Öffentlichkeit reinweg genieren muß.
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