AL kritisiert Begriff „Rassenhygiene“

■ Äußerung der Spitzenkandidatin Heidi Bischoff-Pflanz umstritten / Fraktion distanziert sich / „Ungeheure Verharmlosung“ des Nationalsozialismus

Die Fraktion der Alternativen Liste hat sich gestern von den Äußerungen der Spitzenkandidatin Heidi Bischoff-Pflanz distanziert. Heidi Bischoff-Pflanz hatte am Tag zuvor gegenüber der taz im Zusammenhang mit den Aussagen des derzeitigen Abgeordneten Volker Härtig den Begriff „Rassenhygiene“ gebraucht. Härtig hatte in der taz die Frage aufgeworfen, ob die derzeitige Zahl der Zuwanderer und Aussiedler nicht mit den wohnungs- und umweltpolitischen Zielen der AL in Konflikt gerate. Die AL müsse ihre Forderung nach „offenen Grenzen“ überdenken.

Die Äußerungen von Heidi Bischoff-Pflanz, so heißt es in der nach mehr als zweistündiger Debatte formulierten Erklärung, bedeute eine ungeheure Verharmlosung der Rassenhygiene-Politik der Nationalsozialisten. Wer mit solchen Äußerungen versuche, mißliebige Personen oder Positionen aus der AL zu verbannen, diskreditiere die eigene Politikfähigkeit und Diskussionsbereitschaft. Diese Erklärung wurde zwar von der Fraktion mit großer Mehrheit angenommen, die vorausgegangene Diskussion aber zeigte große Meinungsverschiedenheiten darüber, wie eine Äußerung dieser Qualität zu beurteilen sei. Der Pressesprecher der Liste, Noe, hielt die Erklärung, die die Demontage der Spitzenkandidatin bedeute, für „nicht zulässig“. Es habe sich um eine persönliche Empfindung von Heidi Bischoff -Pflanz gehandelt. Der Begriff „Rassenhygiene“ sei „unglücklich“. Der Abgeordnete Eggert verlangte, daß auch Härtig für sein taz-Interview kritisiert werden müsse, da dessen Position nicht Konsens in der Liste sei. Eine Rüge für Härtig forderte auch Dirk Schneider. Härtigs Infragestellen der „offenen Grenzen“ könne nicht hingenommen werden. Heftigen Widerspruch ernteten beide von Seiten des Abgeordneten Seiler. Es sei „zynisch“, wenn die AL den Begriff der „Rassenhygiene“, wie Heidi-Bischoff-Pflanz ihn geäußert habe, „aufrechne“ gegen Härtigs Äußerung einer Minderheitenposition. Man könne solche Begriffe nicht mit den Versäumnissen anderer rechtfertigen nach dem Motto: „Wir verurteilen zwar, was Heidi gesagt hat, aber Härtig hat auch Unsinn geredet.“

Die Abgeordnete Apel distanzierte sich von der Erklärung der Fraktion. Sie verurteilte Härtigs „Vorpreschen“ und warf ihm vor, immer dann, wenn er sich nicht durchsetzen könne, an die Öffentlichkeit zu gehen. Und Dirk Schneider meinte, wenn wir unsere Spitzenkandidatin so abkan Fortsetzung auf Seite 18

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zeln, „können wir die AL gleich schließen“.

SPD-Kritik an Härtig

Die Diskussion um mögliche Zielkonflikte zwischen ihren Forderungen in der Ausländer-, Wohnungs- und Umweltpolitik führt die AL intern bereits seit einigen Wochen. Wie die jetzige öffentliche Debatte, war sie von Härtig ausgelöst worden. Der Abgeordnete wird von einigen BezirkspolitikerInnen und einer Minderheit in der Abgeordnetenhaus-Fraktion unterstützt. Kritiker hatten Härtig entgegengesetzt, man könne mit zusätzlichen ökologischen und wohnungspolitischen Maßnahmen das Problem lösen. Kritik an den Härtig-Thesen zur Aussiedler-Politik kam gestern erstmals auch aus der SPD. „Die Ängste des Wohlstandsbürgers“ sah der stellvertretende Kreuzberger SPD -Chef Strieder hinter Härtigs Thesen. „Fremde werden nun auch für die AL zu etwas Bedrohlichem, nicht nur für Herrn Lummer“, meinte Strieder. Mit dieser Erklärung, so gestern die Reaktion von Härtig, habe sich Strieder „aus dem Kreis ernstzunehmender Kommunalpolitiker hinauskatapultiert“. Als Kreuzberger sollte Strieder wissen, meinte Härtig in einer Erklärung, daß die Wohnungsnot zuerst nicht die Besserverdienenden treffe, sondern die, „die es ohnehin am schwersten haben“, eine Wohnung zu finden. An die Adresse „von Teilen der SPD“ richtete Härtig den selben Vorwurf, wie zuvor an Teile seiner eigenen Partei. Sie versprächen „allen wohl und niemand weh“, wenn sie sowohl die Freiflächen verteidigten, als auch mehr Wohnungen forderten.

bf/hmt