: Ist Verteidigung eine RAF-Unterstützung?
JuristInnen empört über die §129a-Anklage der Bundesanwaltschaft gegen die Hamburger Anwältin Ute Brandt / Sie soll als Verteidigerin des inhaftierten RAF-Mitglieds Rolf Heißler Dokumente in die Haft geschmuggelt haben / Erste Anklage gegen RAF-Verteidiger seit den siebziger Jahren ■ Aus Hamburg Peter Müller
Empörung hat in JuristInnenkreisen die Nachricht hervorgerufen, daß Generalbundesanwalt Kurt Rebmann die Hamburger Anwältin Ute Brandt wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) anklagen will. Nach den Behauptungen der Bundesanwaltschaft soll die Verteidigerin des inhaftierten RAFlers Rolf Heißler Dokumente der Gruppe über die Verteidigerpost in den Knast geschmuggelt haben. In einer am Wochenende vom 3.AnwältInnentag des „Republikanischen AnwältInnenverein“ (RAV) verabschiedeten Erklärung wird die Rebmannsche Begründung auf das Schärfste zurückgewiesen: „In dem (...) Vorgehen der Justiz liegt eine neue Qualität, unliebsame VerteidigerInnen , die ihre Verteidigertätigkeit ernst nehmen, auszuschalten.“
Das Ermittlungsverfahren gegen die 30jährige Hamburger Juristin, die in einem linken Anwaltskollektiv mitarbeitet, kam im Sommer vergangenen Jahres in Gange, nachdem ihr ehemaliger Mandant Dirk S. sich beim Staatsschutz einlud und seiner Verteidigerin Ute Brandt vorwarf, versucht zu haben, ihn für die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) anzuwerben.
Trotz der Warnungen des Hamburger Verfassungsschutzchefs Christian Lochte, der Dirk S. als einen „Aufschneider“ und „Spinner“ einstufte, schritt Rebmann im September zur Tat: Er ließ die Wohnung und Anwaltkanzlei Ute Brandts durchsuchen. Bei der Razzia wurden zahlreiche Aktenordner durchstöbert, ohne daß die Fahnder irgendwelche Anhaltspunkte für ein Vergehen der Juristin zutage förderten.
Rebmann gab nicht auf: Im letzten Dezember ließ er die Anwaltskanzlei erneut filzen. Dieses Mal nahmen die Fahnder gezielt die Verteidigerunterlagen von Rolf Heißler unter die Lupe, der von Ute Brandt seit 1984 betreut wird. Gleichzeitig durchsuchte das Bundeskriminalamt die Zelle des in Straubing inhaftierten RAFlers.
Obwohl sämtliche in der Zelle Heißlers beschlagnahmten Schriftstücke - wie im Gesetz vorgesehen - den Schreibtisch des Kontrollrichters unbeanstandet passiert hatten und von diesem als nicht zensurrelevant eingestuft wurden, bildet die Auswertung dieser Verteidigerpost nun die Grundlage der Anklage. Für die Bundesanwälte sei durch die Übermittlung der Zeitschrift 'Zusammen Kämpfen‘, von Beweisanträgen, Dokumenten oder Prozeßerklärungen anderer RAFler gegen den §129a verstoßen worden, was mit einer Strafe von ein bis fünf Jahren zu ahnden wäre. Rebmanns Argumentation: Da die Schriftstücke nicht dazu geeignet gewesen wären, Rolf Heißler zum Beispiel von einem Hungerstreik im Jahre 1984/85 für die Zusammenlegung der politischen Gefangenen abzubringen, habe Ute Brandt die Ziele der RAF bewußt unterstützt. Diesen „Tatbestand“ sieht der Oberankläger auch durch einen beschlagnahmten Brief Ute Brandts an Rolf Heißler belegt, in dem es hieß: „Die Linke draußen sollte dafür Sorge tragen, daß das Konzept des Staates, was er zu Euch entwickelt hat, nicht aufgeht.“
Ist es die Aufgabe einer Verteidigerin, ihren Mandanten von Aktionen für bessere Haftbedingungen abzuhalten? Dem widerspricht energisch der RAV-Ehrenvorsitzende und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Verfassungsfragen im niedersächsischen Landtag, Werner Holtfort: „Was Herr Rebmann dort macht, ist nicht im Sinne des Gesetzes.“ Die Anklage greife das Wesen anwaltlicher Verteidigung an, denn es sei nun mal „die Aufgabe eines Verteidigers, für die Auffassung seines Mandanten zu werben, sie darzustellen und ihn seelisch zu unterstützen“.
In der von 200 JuristInnen des RAV-Kongresses einstimmig verabschiedeten Erklärung wird der Rebmann-Vorstoß als ein ein Versuch gewertet, neue Prozeßbedingungen in 129a -Verfahren zu schaffen: „Die Bundesanwaltschaft will mit diesem Vorgehen in unzulässiger Weise versuchen zu bestimmnen, was Verteidigerpost ist und was nicht.“ Gleichzeitig werde der Versuch unternommen, „die berechtigte Forderung nach Zusammenlegung der politischen Gefangenen, die seit über 12 Jahren von unabhängigen Gutachtern aufgestellt wird, zu kriminalisieren“, heißt es in der Erklärung, die auch vom Vorstand des „Europäischen Demokratischen Anwaltsvereins“ mitgetragen wird.
Daß der 3.Senat des Hanseatische Oberlandesgericht das Verfahren eröffnet, ist wahrscheinlich. Denn der berüchtigte Staatsschutzsenat hatte nach Eintreffen der Klageschrift nichts Eiligeres zu tun, als Ute Brandt mitzuteilen, daß das Gericht erwäge, ihr das Mandat für ein im November anstehendes 129a-Verfahren gegen den Hamburger Lehrer Fritz Storim zu entziehen. Der Pädagoge und in der Bundesrepublik bekannte Atomkraftgegner ist seinerseits angeklagt, durch mutmaßliche Mitarbeit bei der Druckschrift 'Sabot Hamburger Info-Sammlung‘ die RAF unterstützt zu haben, da Sabot einen Redebeitrag einer öffentlichen Veranstaltung zur Situation politischer Gefangener dokumentiert hatte.
Da sich aber Ute Brandt und Fritz Storim gegen diesen Eingriff in Verteidigerauswahl zur Wehr setzen und selbst nach dem Gesetz in 129a Verfahren nur dann eine Verteidigerin ausgeschlossen werden kann, wenn ihr eine konkrete ideologische Tatbeteiligung nachgewiesen wird, ist dieser Konflikt noch nicht entschieden.
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