Liebeserklärung

■ Ein Dokumentarfilm als Geburtstagsgeschenk: Agnes Varda über Jane Birkin zum 40sten

Agnes Varda sagt: „Ich kann meine Mythologien in Dich hineinpacken.“ Jane Birkin sagt: „Auch wenn man alles auspackt, enthüllt man nicht viel.“ Und leert ihre Handtasche.

Agnes Varda probiert Jane Birkin aus. Sie verkleidet sie, gibt ihr kleine und große Rollen in Geschichtchen, Sketchen, Anekdoten, stellt ihr berühmte Partner oder Ex-Ehemann Serge Gainsbourg zur Seite, umgibt sie mit Magritte-Bildern, mit Monet und Money, Dali und Dollars. Sie interviewt sie, läßt sie erzählen, zieht sie aus und wieder an: die Schauspielerin als Projektionsfläche für eine neugierige Regisseurin.

Jane Birkin als Femme Fatale; als Dichtermuse, als Ariadne mit dem Schicksalsfaden; als Laurel mit Hardy; als Tarzans Jane; als Calamaty Jane; als Jane „Blow up“ Birkin; als Marylin-Monroe-Imitat; als Hausbesitzerin; als Sängerin. Als Geliebte, als alte Frau, als Mann, als Mutter. Mal tragisch, mal komisch. Birkin der Star, Birkin privat. Im Kostüm, in Jeans.

Als Birkin die kleine Geschichte von einer 40jährigen erzählt, die einen 14jährigen liebt, sagt Varda: „Vielleicht verführe ich Dein Drehbuch.“ Daraufhin haben sie die Arbeit am Dokumentarfilm unterbrochen und zusammen den Spielfilm Die Zeit mit Julien gedreht. Eine vielleicht nicht sonderlich gelungene Verführung, aber das macht ausnahmsweise nichts. Entscheidend ist das Wissen der beiden, daß Kino zum Verführen da ist. Daß Filmemachen verführen heißt. Verführen einer Person, einer Idee, einer Geschichte. Oder auch nur eines Gegenstands, eines Orts, einer Farbe.

Jane B. par Agnes V. ist ein erotischer Film. Birkin als nackte Schöne auf dem nachgestellten Tizian-Gemälde: die Kamera streichelt ihre Seite, minutenlang. Unendlich langsam fängt sie bei den Zehenspitzen an und fährt - in extremer Großaufnahme - allmählich über die Ferse und den Unterschenkel bis zur Kniekehle, vergräbt sich dort kurz, weiter zum Oberschenkel, zum Po und zur Hüfte, streichelt die Härchen, und verweilt am Ende bei der kleinen Brust, ganz nah bei der Brustwarze: auf der Kinoleinwand ein riesiger Hügel. Vorher hatte die Schauspielerin der Regisseurin erklärt, sie schaue nicht gern in die Kamera, sie habe Angst vor dem schwarzen Loch. Aber, wird sie von Varda beruhigt, hinter dem Loch, da stehe doch sie, die Regisseurin. Zu Beginn der Tizian-Szene schaut Birkin in die Kamera, eine Spur unsicher, sie weiß, gleich wird es intim. Ein Liebesspiel zwischen zwei Frauen - in Lesbenfilmen habe ich so etwas noch nicht gesehen.

Als Dokumentarfilm ist Jane B. par Agnes V. eigentlich unanständig: Er macht sichtbar, daß Jane Birkin eine schlechte Schauspielerin ist. Manches mißlingt: Die Femme -Fatale-Rolle mißlingt oder auch Dick und Doof (mit Laura Betti). Keine der Verkleidungen kann sie ausfüllen, keinem ihrer Partner ist sie ebenbürtig. Am wenigsten Jean-Pierre Leaud, den sie bei der kurzen Picknick-Szene im herbstlichen Pariser Park nur ein paarmal verliebt anschaut, während Leaud einen seiner herrlichen Wutanfälle kriegt, samt aggressivem Blick, harschem Ton und abrupten Gesten.

Jane Birkin ist genial, wenn sie sich selbst spielt. Wenn sie am Strand angesichts der Skulpturen von Niki de Saint -Phalle von den großen Brüsten der anderen Frauen erzählt und ihrem Neid auf deren Hüpfen, auf dieses „Flip-Flop: eine Eigenbewegung, die mir fehlt“. Und imitiert mit ihren Händen und ihren kleinen Brüsten das Flip-Flop. Oder sie erzählt, warum sie so viele Bücher in ihrem Haus hat: „Wissen, das mich umgibt, wärmt mich.“ Man sieht, wie leicht sie friert.

Etwas scheint Varda übersehen zu haben: Birkins Hände. Rauhe, fast derbe Hände. Sie passen nicht zu ihrer Gestalt, zu ihrem Gesicht. Zu gerne hätte ich mir auch noch eine Geschichte über die Hände erzählen lassen.

Christiane Peitz

Agnes Varda: Jane B. par Agnes V., mit Jane Birkin, Philippe Leotard, Jean-Pierre Leaud, Laura Betti, Serge Gainsbourg, Mathieu Demy, Frankreich 1987, 97 Min.