Hessen-Müll nicht in die DDR

DDR-Umweltschützer schreiben einen Offenen Brief an Hessens Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) / „Herr Weimar, behalten Sie Ihren Dreck“ / Einmaliger Vorgang in den deutsch-deutschen Beziehungen  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Wir sehen keine geordnete Entsorgung darin, daß wir zum Beispiel nach Schönberg in der DDR oder auf sonstige ausländischen Deponien hessischen Sondermüll karren und genau wissen, daß die dortigen Entsorgungsstandards ungleich niedriger liegen als die, die wir hier in Hessen auferlegen.“ Das sagte der hessische Umweltminister Karlheinz Weimar (CDU) im Jahre 1986 während einer Müll-Debatte im hessischen Landtags, als auf dem Sessel des Umweltministers noch der „grüne Müllkutscher“ (CDU) Joschka Fischer thronte. Weimar durfte sich damals als umweltpolitischer Sprecher der Oppositionsfraktion CDU profilieren.

Heute - nur zwei Jahre später - ist Weimar selbst „Müllkutscher“ und läßt den hessischen Dreck insbesondere in die DDR karren, und die Entsorgungsstandards liegen, wie Weimar seit 1986 weiß, ungleich niedriger im jetzt CDU/FDP -regierten Hessenland. Unter der Ägide des christdemokratischen Umweltministers, der in Hessen vor dem Müllnotstand steht, soll jetzt noch mehr Müll und Sondermüll in den „andern Teil unseres Vaterlandes“ (Finanzminister Kanther/CDU) verfrachtet werden - nach Schönberg, nach Schöneiche bei Berlin und nach Deetz.

Die Umweltbewegung in der DDR läuft Sturm gegen die Absicht nicht nur der Hessen, das kleine Land zur „größten Müllkippe Europas“ verkommen zu lassen. Und erstmals in der Geschichte der deutsch-deutschen Beziehungen hat sich eine staatsunabhängige Umweltgruppe der DDR, das „grüne Netzwerk“ in der evangelischen Kirche (Region Berlin-Brandenburg), in einem Offenen Brief an einen bundesdeutschen Minister gewandt: „Behalten Sie Ihren Dreck, Herr Weimar“, schrieb Mathias Voigt vom „grünen Netzwerk“ dem hessischen Minister in's Stammbuch. Als Bote des Offenen Briefes fungierte ein Mitarbeiter der Monatszeitschrift der hessischen Grünen, 'Stichwort: Grün‘, die den Brief aus der DDR in ihrer Dezember-Nummer dokumentieren wird.

Der kirchliche Umweltschützer Voigt wirft dem hessischen Minister unter anderem vor, leichtfertig mit der Gesundheit von Tausenden von DDR-BürgerInnen zu spielen. In der DDR fehlten die elementarsten Voraussetzungen für eine ungefährliche Entsorgung von Müll und erst recht für die von Sondermüll: „Insbesondere im Raum Schöneiche und in Deetz, wo der hessische Sonder- und Hausmüll abgelagert und demnächst auch verbrannt werden soll, sind Luft- und Grundwasserbelastungen im großen Ausmaß zu erwarten.“ Die DDR-Behörden interessiere das alles nicht, denn deren Handeln werde ausschließlich von der „Gier nach Valuta“ bestimmt.

Die DDR-Umweltschützer appellieren an Weimar, auf die „fahrlässige, gesundheitsgefährdende Entsorgung“ in der DDR zu verzichten. „Sollten Sie es wirklich ernst meinen mit den oft zitierten Verbesserungen zwischen Ost und West, dann entsorgen Sie bitte den hessischen Müll in Hessen. Sollten Sie dazu nicht bereit sein, dann liefern Sie uns wenigstens die umweltschonendsten Entsorgungssysteme auf den modernsten Stand der Technik mit.“