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Schülerzeitung „eskamotiert“

■ Schulleiter untersagte Verteilung des Schülermagazins L'escamoteur am SZ Bergiusstraße / Redaktion: Zensur / Schulleiter: Schutz der Kinder

Die „Richtlinien für Schülerzeitungen im Lande Bremen“ sind eindeutig: Schülerzeitungen genießen Pressefreiheit! Wörtlich heißt es in einem entsprechenden Runderlaß: „Für Schülerzeitungen gelten die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit innerhalb der allgemeinen Gesetze. ... Schülerzeitungen dürfen in jeder Schule von den Schülern der Schule verteilt und vertrieben werden.“

Schon zum zweiten Mal nicht „verteilt und vertrieben werden“ durfte jetzt am Bremer Schulzentrum Bergiusstraße die Schülerzeitung „L'escamoteur“. Schulleiter Dieter Jerzewski gab das ihm routinemäßig zur Überprüfung überlassene Vorabdruck-Exemplar mit dem Vermerk zurück: „Verteilung nicht genehmigt.“

In ihrer jüngsten Ausgabe be

richtet die kostenlose Zeitung (Aufl. 2.500) mit dem aufwendigen Namen, der in so gar keinem Verhältnis zu Umfang und Inhalt des Blättles stehen will, auf mageren 34 Zeilen über zunehmende Skin-head-Schlägereien am SZ Bergiusstraße. Unter der Überschrift „Bergius-Glatzen“ heißt es in schönstem Pennäler-Schnodderdeutsch: „Was ist nur aus diesem SEK-I-Zentrum geworden? Nicht nur daß die Schülerzahlen zurückgehen, nein, die neofaschistische Prügel-Szene an unserer Schule bekommt auch noch regen Zulauf. Das geht so weit, daß es schon Baby-Glatzen aus den 5. und 6. Klassen gibt. ... Wer zu dieser Schule kommt, muß entweder Meister im Straßenkampf sein oder eine Menge CS-Gas bei sich haben.“

Schulleiter Jerzewski bestreitet allerdings heftig, sich über die

„Verunglimpfung“ seiner Schule so geärgert zu haben, daß er gleich die ganze Ausgabe aus dem Schulverkehr zog. In seinem Verbotsschreiben an die L'escamoteur-Redaktion begründet Jerzewski seine Maßnahme mit dem gebotenen Schutz seiner SchülerInnen vor den Verführungen der Werbung und einem der Zeitung beigelegten Werbeblatt des Bremer Fotogeschäfts Dose. Seine Verbots-Entscheidung ließ Jerzewski sich sogar durch einen Beschluß der Schulkonferenz absegnen. Deren 10 -Zeilen-Protokoll enthält - neben dem begründenden Hinweis auf die Werbebeilage - allerdings einen verräterischen Satz: „Ein Artikel über die 'Bergius-Glatzen‘ stellt die Schule als Skin-Schule mit dauernden Prügeleien dar.“

Daß der Hinweis auf den angeblich ungewöhnlich hohen

Werbeanteil der Zeitung einen recht fadenscheinigen Vorwand darstellen könnte, liegt auch aus einem zweiten Grund nahe: Frühere Ausgaben des L'escamoteur passierten die Zensur des Schulleiters unbeanstandet, obwohl weitaus mehr Seiten mit Anzeigen von Rita Süßmuth („Gib Aids keine Chance“), der Bremer Sparkasse oder den Stadtwerken gefüllt waren. Bis auf eine aus den Hochzeiten der Bremer Schulschließungsdebatte: Ihr Deckblatt ziert eine Karikatur von Senator Franke, der gerade eine(n) Hamburger (Straße) vertilgt. Franke wird jetzt entscheiden müssen, ob der L'escamoteur künftig mit oder ohne Foto-Werbung, Skin-Artikeln und Franke-Karikaturen verteilt werden darf. Ein Beschwerdeschreiben der Redaktion über die offenkundige Zensur ging ihm jetzt zu.

K.S.

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