: Kewenig behindert das Gericht
■ Innensenator verhindert Zeugenaussagen von V-Leuten mit dem Vorwand, er habe ihnen Vertraulichkeit zugesichert / V-Mann: Ich bin bereit, auszusagen
Innensenator Kewenig und die Polizei haben möglicherweise die Arbeit von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung in einem Betäubungsmittelverfahren behindert und die Verfahrensbeteiligten grob getäuscht. Der Innensenator hatte den Antrag des Gerichts, die Identität von zwei V-Leuten zu lüften, um sie als Zeugen laden zu können, mit dem Hinweis abgelehnt, man habe ihnen Vertraulichkeit zugesichert. In der Hauptverhandlung am letzten Freitag war einer der V -Leute im Zuschauerraum und wurde von einem der Angeklagten erkannt. Die informelle Befragung durch den Anwalt ergab: Niemand habe ihm je Vertraulichkeit zugesichert, er fühle sich nicht gefährdet und sei durchaus bereit, als Zeuge auszusagen.
Angeklagt sind vor der 7.Großen Strafkammer drei junge Männer. Sie sollen versucht haben, einem Scheinankäufer der Polizei 300 Gramm Heroin zu verkaufen. Schon den Namen des Scheinankäufers habe er nur unter massivem Druck und nach mehreren Monaten erfahren, berichtete gestern der Anwalt der Angeklagten, Johannes Eisenberg. Die Identität der beiden V -Leute sei ihm immer vorenthalten worden, obwohl er sie dringend als Zeugen angefordert habe. Noch am 27.Oktober, also kurz vor der Hauptverhandlung, habe der Vorsitzende Richter von Innensenator Kewenig als oberstem Dienstherrn der Polizei mitgeteilt bekommen, die V-Leute könnten nicht als Zeugen zur Verfügung stehen, die Nennung der Namen bereite dem Land Berlin Nachteile. Unter Strafverteidigern ist die Praxis von Polizei und Innenverwaltung bekannt, V -Leute zu „sperren“, vor allem in Betäubungsmittelverfahren, bei politischen Prozessen oder bei Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen. Claus Eschen, Vorsitzender des Republikanischen Anwaltsvereins, wies auf die „Beweislücken“ hin, die für die Angeklagten entstehen könnten. Im Zweifelsfalle müsse sich der Staat entscheiden. Wenn die Identität von Zeugen nicht gelüftet werde, müßten die Angeklagten freigesprochen werden. In Einzelfällen hegen Anwälte durchaus auch den Verdacht, daß der Öffentlichkeit verheimlicht werden soll, in welch starkem Maße verdeckte Ermittler in das Zustandekommen der Straftaten verwickelt sind.
Von der Innenverwaltung war zu dem anstehenden Fall gestern keine Stellungnahme zu bekommen.
bf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen