: Einsichtige Holländer und Schweden
■ Aber „jämmerliches Bild“ deutscher Parteien auf „Ausländerwahlrecht„-Konferenz
Die Veranstalter (Arbeiterwohlfahrt, SPD-Landesorganisation und türkisch-deutscher Gesprächskreis) hatten eine gute Idee. Die Schweden und Holländer, bei denen Ausländer schon lange wählen und gewählt werden dürfen, sollten über ihre Erfahrungen berichten. Das Interesse für die Konferenz am Samstag im Ernst-Waldau-Theater war entsprechend groß. Bei der Eröffnung wies Barbara Wulff (SPD) darauf hin, daß die CDU nicht eingeladen wurde, weil man die Pro- und Contra -Diskussion nicht fortsetzen, sondern eine entsprechende, endlich positive Öffentlichkeitsarbeit für das Ausländerwahlrecht leisten will.
Mona Hilman von der schwedischen sozialdemokratischen Partei erklärte, daß das Ausländerwahlrecht nach der Mobilisierung der eigenen Mitglieder ohne Verfassungsänderung eingeführt werden konnte. Dieses demokratische Selbstverständnis wird von Schweden allgemein akzeptiert. Oft muß sich die sozialdemokratische Regierung Kritik von bürgerlich -konservativen Parteien einstecken, daß sie wenig für die Einwanderer tut. Bei der Vorbereitung der letzten Wahlen hat die schwedische Regierung alleine zur politischen Bildung 10 Mio Kronen ausgegeben.
Das Ausländerwahlrecht wird von den Holländern als eine Notwendigkeit zur sozialpolitischen Stabilität des Landes angesehen, berichtete Secil Arda. Arda, die aus der Türkei stammt, ist Vorstandsmitglied der Arbeiterpartei und Abgeordnete im Stadtparlament Enschede. Nicht zuletzt sollen die Äußerungen der führenden Politiker, unter anderem des christdemokratischen Präsidenten des europäischen Gerichtshofes, zu dieser Einsicht in der Öffentlichkeit beigetragen haben. So stieg der Anteil der Befürworter des Ausländerwahlrechts in den Niederlanden von 45 Prozent im Jahr 1980 bis 1985 auf 60 Prozent.
Thomas von der Vring (SPD) bedauerte, daß die Christdemokraten im europäischen Parlament die Angehörigen der Drittländer aus dem geplanten Wahlrecht ausschließen wollten und machte wie Friedrich van Nispen (FDP) auf die massiven Vorbehalte in den eigenen Reihen aufmerksam. Dieses gab gegenüber den Vorberichten aus Schweden und den Niederlanden ein jämmerliches Bild ab, was von den Zuhörern mit Enttäuschung stark kritisiert wurde. Von der Vrings Antwort, daß die Parteien keinen Einfluß auf die Medien hätten und deshalb eine Meinungsbildung sehr schwierig sei, war nicht überzeugend.
Marieluise Beck-Oberdorf (Grüne) blieb der Hinweis auf den 50. Jahrestags des Pogroms. Trauern allein genüge nicht, man muß die Konsequenzen ziehen. Sie erklärte, daß ihre Partei schon lange umfassendere Vorschläge für Einwanderer und Flüchtlinge eingebracht hat, als das kommunale Wahlrecht. Die Vertreter des DGB, der Ev. Kirche und der AWO forderten einstimmig das Wahlrecht für Ausländer nicht nur als Geschenk, sondern als Notwendigkeit zum Zusammenleben. Sie sehen das kommunale Wahlrecht als ersten Schritt.
In der Diskussion wurde der Aufruf der Parteien an die ausländischen Bürger deutlich, den Parteien beizutreten und für das Wahlrecht selbst zu kämpfen. Nun müssen die Einwanderer an ihre „sozialen“, „liberalen“, „christlichen“, und vor allen Dingen an die „demokratischen“ Grundsätze erinnern, damit sie wie ihre Schwesterparteien in Holland, Schweden, Dänemark usw. einsehen: „Wahlrecht ist Menschenrecht“.
Tuncer Miski (Redaktion Dayanisma)U-Satz:!!!!
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